P.S. Ich liebe Dich
so kurz bevorstand. Ab morgen gab es keine ermutigenden Worte von Gerry mehr, dabei brauchte sie sie noch immer so sehr. Damals im April hatte sie es vor Aufregung kaum abwarten können, die Umschläge aufzureißen und Gerrys Briefe zu lesen. Aber die Monate waren viel zu schnell verstrichen, und jetzt kam das Ende. Sie wollte zu Hause bleiben und ihren letzten gemeinsamen Augenblick mit Gerry auskosten.
»Ich weiß«, erwiderte Sharon verständnisvoll. »Aber das kann ein paar Stunden warten, oder?«
Gerade wollte Holly es abstreiten, da rief John von unten: »Kommt endlich, Leute! Das Taxi wartet, wir müssen Tom und Denise abholen!«
Ehe Holly Sharon nach unten folgte, zog sie rasch ihre Nachttischschublade auf und holte den Novemberbrief von Gerry heraus, den sie vor ein paar Wochen geöffnet hatte. Sie brauchte einfach seine Ermutigung. Sie ließ die Finger über die Tinte gleiten und stellte sich vor, wie er die Karte geschrieben hatte. Sie stellte sich vor, was für ein Gesicht er dabei gemacht hatte. Sie hatte ihn immer geneckt, wenn er sich bei solchen Anlässen vor lauter Konzentration wie ein kleiner Junge mit der Zunge über die Lippen leckte. Sie liebte dieses Gesicht. Sie vermisste dieses Gesicht. Sie brauchte Kraft, und sie wusste, dass der Brief ihr sie geben würde. Sie las:
Diesen Monat muss Cinderella zum Ball gehen. Sie wird wunderschön und strahlend aussehen und sich prächtig amüsieren. Aber lieber nicht in einem weißen Kleid …
P.S. Ich liebe Dich …
Holly holte tief Luft und ging hinunter.
»Wow!«, rief Daniel. »Du siehst fantastisch aus, Holly.«
»Ich sehe beschissen aus«, grummelte Holly wieder, und Sharon warf ihr einen bösen Blick zu. »Aber trotzdem danke«, fügte sie hastig hinzu.
Sie quetschten sich alle ins Taxi. Trotz Hollys Gebeten war jede Ampel grün, es gab keinen Erdrutsch und auch keinen Vulkanausbruch. Und in der Hölle fiel kein Schnee.
Sie traten an den Empfangstisch gleich am Eingang, und Holly schlug die Augen nieder, als sie merkte, wie sich alle Blicke auf sie und ihre Freunde richteten. Vor allem die weiblichen Gäste waren immer furchtbar neugierig, was die Neuankömmlinge so anhatten. Wenn sie sich dann überzeugt hatten, dass sie immer noch die Schönsten im ganzen Land waren, nahmen sie ihre Gespräche wieder auf. Die Frau hinter dem Tisch lächelte ihnen entgegen. »Hallo Sharon, hallo John, hi Denise … o Gott!« Vielleicht wäre sie ohne ihre künstliche Sonnenbräune noch weißer geworden, aber das konnte man natürlich nicht beurteilen. »Oh, hallo, Holly, wirklich nett, dass Sie kommen, wo Sie doch … « Die Frau verstummte und blätterte geschäftig in der Liste, um ihre Namen abzuhaken.
»Gehen wir zur Bar«, schlug Denise vor, hakte Holly unter und zog sie mit sich.
Als sie durch den Saal gingen, trat eine Frau, die Holly seit Monaten nicht mehr gesehen hatte, auf sie zu. »Holly, es tut mir so Leid wegen Gerry. Er war ein wundervoller Mensch.«
»Danke.« Holly lächelte und wurde erneut von Denise weggezerrt. Endlich erreichten sie die Bar.
»Hallo, Holly«, sagte eine vertraute Stimme hinter ihr.
»Oh, hallo Paul«, sagte sie und drehte sich zu dem großen Geschäftsmann um, der die Veranstaltung sponserte. Er war übergewichtig und hatte ein rotes Gesicht, wahrscheinlich weil es ein Riesenstress war, eines von Irlands erfolgreichsten Unternehmen zu leiten. Und er trank zu viel. Er sah aus, als würde er gleich ersticken, denn er hatte seine Fliege viel zu eng gebunden und zupfte ständig an ihr herum. Auch die Knöpfe an seinem Frack drohten jeden Moment abzuplatzen. Holly kannte ihn nicht sonderlich gut, aber er gehörte zu den Leuten, die sie einmal im Jahr bei diesem Ball traf.
»Sie sind so hübsch wie eh und je«, sagte er und küsste Holly auf beide Wangen. »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«, fragte er und hielt die Hand hoch, um den Barmann auf sich aufmerksam zu machen.
»Oh, nein danke«, lächelte Holly.
»Ach kommen Sie«, beharrte er und zog seine dicke Brieftasche heraus. »Was möchten Sie?«
»Wenn Sie darauf bestehen, nehme ich bitte einen Weißwein«, gab Holly nach.
»Ich könnte Ihrem armen Ehemann natürlich auch etwas spendieren«, lachte er. »Was möchte er denn?«, fragte er und blickte suchend um sich.
»Oh, er ist nicht hier, Paul«, erwiderte Holly verlegen.
»Aber warum denn nicht? So ein Langweiler. Jetzt war er schon zweimal nicht hier. Warum?«, wunderte sich Paul laut.
Ȁh, er
Weitere Kostenlose Bücher