P.S. Ich liebe Dich
stets sauber und perfekt manikürt. Holly konnte sich vorstellen, wie er sie jeden Abend mit dem Lineal abmaß, damit sie irgendwelchen europäischen Standardmaßen entsprachen, falls es die gab.
Richard schien sich in seiner Haut nie richtig wohl zu fühlen. Er sah aus, als erstickte er an seiner eng geknoteten (braunen) Krawatte, er bewegte sich, als hätte er einen Stock verschluckt, und in den seltenen Fällen, wenn er einmal lächelte, erreichte das Lächeln nie seine Augen. Er war sein eigener Aufpasser, der sich jedes Mal, wenn er in menschliche Verhaltensweisen verfiel, sofort zur Räson rief und bestrafte. Das Traurige war, dass er glaubte, wenn er sich so etwas antat, wäre er ein besserer Mensch als die anderen.
Holly führte ihn ins Wohnzimmer und stellte den Blumentopf vorläufig auf den Fernseher. »Nein, nein, Holly«, tadelte Richard sie sofort und hob den Zeigefinger, als wäre sie ein unartiges Kind. »Da darfst du den Topf nicht hinstellen, er braucht einen kühlen Standort, wo er keine Zugluft und keine grelle Sonne abbekommt und auch nicht direkt an einer Hitzequelle steht.«
»Oh, natürlich.« Hektisch nahm Holly den Topf wieder weg und blickte sich panisch im Zimmer nach einem geeigneten Plätzchen um. Was hatte Richard gesagt? Sollte das Ding warm stehen? Und keine Zugluft kriegen? Wie schaffte er es nur, dass sie sich in seiner Gegenwart immer wie ein ungeschicktes kleines Mädchen vorkam?
»Wie wäre es mit dem Couchtisch da drüben, da wäre er in Sicherheit.«
Holly tat, was ihr Bruder vorschlug, stellte die Orchidee auf den Tisch und erwartete halb, mit einem »Braves Mädchen« gelobt zu werden. Zum Glück kam nichts dergleichen.
Richard nahm seine Lieblingsstellung am Kamin ein und sah sich um. »Bei dir ist es sehr sauber«, stellte er fest.
»Danke, ich hab gerade erst … äh … geputzt.«
Richard nickte, als hätte er das bereits geahnt.
»Darf ich dir eine Tasse Tee oder Kaffee anbieten?«, fragte sie in der Erwartung, dass er sowieso ablehnen würde.
»Ja, Tee wäre großartig«, antwortete er stattdessen und klatschte in die Hände. »Nur Milch, kein Zucker.«
Mit zwei Bechern Tee kehrte Holly aus der Küche zurück, stellte die Becher auf den Couchtisch und hoffte, dass der Dampf die arme Pflanze nicht töten würde. Schließlich war der Tee ja eine Hitzequelle.
»Du musst sie nur täglich gießen und alle paar Tage das Wasser ganz auswechseln.« Er redete immer noch von der Pflanze. Holly nickte, obwohl sie genau wusste, dass sie beides sowieso nicht tun würde.
»Ich wusste gar nicht, dass du einen grünen Daumen hast, Richard«, sagte sie, um die Atmosphäre etwas aufzulockern.
»Den hab ich eigentlich auch nur, wenn ich mit den Kindern male«, lachte er. »Jedenfalls behauptet Meredith das.«
»Arbeitest du viel in eurem Garten?« Holly wollte das Gespräch auf jeden Fall in Gang halten, denn das Haus war so still, dass jedes Schweigen sich vervielfachte.
»O ja, ich liebe Gartenarbeit«, antwortete ihr Bruder mit leuchtenden Augen. »Samstag ist mein Gartentag«, fügte er hinzu und lächelte in seinen Teebecher.
Holly hatte das Gefühl, neben einem Wildfremden zu sitzen. Auf einmal wurde ihr klar, wie wenig sie von ihm und wie wenig er von ihr wusste. Aber so hatte Richard es gewollt, er hatte sich seit jeher von der Familie distanziert. Er erzählte ihnen nie irgendwelche Neuigkeiten oder auch nur, wie sein Tag verlaufen war. Er kannte nur Fakten, Fakten und noch mal Fakten. Das erste Mal, dass seine Familie etwas von Meredith hörte, war an dem Tag, als sie zu zweit zum Essen auftauchten, um ihre Verlobung zu verkünden. Dummerweise war es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät, um ihm die Hochzeit mit diesem rothaarigen, grünäugigen Drachen auszureden.
»Also«, sagte sie viel zu laut in die hallende Stille hinein. »Ist irgendwas Besonderes los?« Irgendeinen Grund musste es ja dafür geben, dass er hier so unerwartet auftauchte!
»Nein, nein, nichts Besonderes, alles läuft wie gewohnt.« Er nahm einen Schluck Tee und fügte hinzu: »Ich wollte nur mal vorbeischauen, wo ich schon mal in der Gegend bin.«
»Ach so. Aber es ist ungewöhnlich, dass du in dieser Gegend bist«, lachte Holly. »Was führt dich denn ins dunkle und gefährliche Nord-Dublin?«
»Ach weißt du, ich bin nur geschäftlich hier«, murmelte er vor sich hin. »Aber mein Auto steht natürlich immer noch auf der anderen Seite der Liffey!«
Holly rang sich ein Lächeln ab.
»Ich
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