P.S. Ich liebe Dich
da eigentlich gehört – du willst nächste Woche bei einem Karaoke-Wettbewerb mitmachen?«
»Was?«, schrie Ciara.
Holly tat so, als wüsste sie nicht, wovon Declan redete.
»Ach komm schon, Holly!«, beharrte er. »Danny hat es mir verraten.« Damit wandte er sich an den Rest des Tischs und erklärte: »Danny gehört Hogan’s Pub, in dem wir neulich gespielt haben, und er hat mir erzählt, dass Holly für einen Karaoke-Wettbewerb angemeldet ist.«
Von allen Seiten ertönten bewundernde Rufe, aber Holly weigerte sich, die Wahrheit zuzugeben. »Declan, Daniel will dir doch bloß einen Bären aufbinden. Schließlich weiß jeder, dass ich überhaupt nicht singen kann. Also«, wandte sie sich an die Umsitzenden, »also ehrlich, wenn ich bei einem Karaoke-Wettbewerb mitmachen würde, dann hätte ich euch doch davon erzählt.« Sie lachte, als wäre schon der Gedanke daran absurd. Was er ja auch war.
»Holly!«, lachte Declan. »Ich hab deinen Namen auf der Liste gesehen. Also lüg uns nicht an!«
Jetzt legte auch Holly Messer und Gabel weg, denn auf einmal hatte sie überhaupt keinen Hunger mehr.
»Warum hast du uns denn nichts davon gesagt, dass du bei einem Wettbewerb singen wirst?«, fragte ihre Mutter.
»Weil ich gar nicht singen kann!«
»Warum tust du es dann?« Ciara prustete vor Lachen.
Da Declan sowieso wild entschlossen schien, die Wahrheit aus ihr herauszuprügeln, und da sie ihre Eltern auch nicht gern anlog, beschloss Holly nun doch, der Wahrheit die Ehre zu geben. Und Richard würde es eben auch hören.
»Okay, es ist eine komplizierte Geschichte, aber kurz gesagt hat Gerry meinen Namen da schon vor Monaten eintragen lassen, weil er unbedingt wollte, dass ich singe. Und obwohl ich es überhaupt nicht möchte, habe ich trotzdem das Gefühl, dass ich es irgendwie durchziehen muss. Es ist blöd, ich weiß.«
Ciara hörte schlagartig zu lachen auf.
Nervös strich Holly sich die Haare hinter die Ohren. Sie mochte es nicht, wenn die ganze Familie sie so gespannt anstarrte.
»Also, ich finde es eine tolle Idee«, verkündete ihr Vater auf einmal.
»Ja«, schloss sich ihre Mutter an, »und wir kommen alle, um dich zu unterstützen.«
»Nein, Mum, das müsst ihr doch nicht, es ist nichts Besonderes.«
»Wenn meine Schwester bei einem Wettbewerb mitsingt, werde ich auf jeden Fall dabei sein«, erklärte Ciara.
»Na klar«, meldete sich jetzt auch Richard zu Wort. »Wir gehen alle hin. Ich war noch nie bei einer Karaoke-Veranstaltung, das wird bestimmt … « Er durchforstete sein Vokabular nach dem passenden Wort. » … bestimmt lustig.«
Holly stöhnte laut und schloss die Augen. Wäre sie doch nur direkt nach Hause gefahren! Declan lachte hysterisch. »Ja, Holly, es wird bestimmt … äh … bestimmt lustig!«, rief er und kratzte sich am Kinn.
»Wann ist es denn so weit?«, erkundigte sich Richard und holte einen Kalender heraus.
»Am Samstag«, log Holly und Richard notierte es sich.
»Quatsch!«, platzte Declan heraus. »Am Dienstag, du alte Lügnerin!«
»Scheiße!«, fluchte Richard – sehr zur Überraschung aller –, »hat jemand Tippex für mich?«
Ständig musste Holly aufs Klo rennen. Sie war nervös und hatte in der Nacht fast gar nicht geschlafen. Und so sah sie auch aus. Sie hatte tiefe Augenringe unter ihren geröteten Augen, ihre Unterlippe war rissig, weil sie auf ihr herumgekaut hatte. Der große Tag war gekommen, ihr schlimmster Albtraum drohte Wirklichkeit zu werden. Sie musste in aller Öffentlichkeit singen. Dabei gehörte sie nicht einmal zu den Leuten, die unter der Dusche ein Liedchen trällern – sie hatte Angst, der Spiegel könnte davon kaputtgehen.
Verdammt, wie viel Zeit sie heute auf dem Klo verbrachte! Es gab einfach kein besseres Abführmittel als Angst, und Holly hatte das Gefühl, heute mindestens sechs Kilo abgenommen zu haben.
Während sie die Kombination anzog, die sie nach Gerrys Anweisung letzten Monat gekauft hatte, verfluchte sie ihn im Stillen. Die Haare ließ sie offen, um ihr Gesicht dahinter zu verstecken, außerdem trug sie mehrere Schichten wasserfeste Wimperntusche auf – als könnte sie das am Weinen hindern. Sie ahnte, dass der Abend mit Tränen enden würde.
John und Sharon holten sie im Taxi ab, aber Holly weigerte sich, auch nur ein Wort mit ihnen zu wechseln. Ihr war übel, sie konnte nicht still sitzen. Jedes Mal, wenn das Taxi an einer roten Ampel anhielt, überlegte sie, ob sie rausspringen und um ihr Leben laufen sollte,
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