Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Zigeunerspäher erledigten sie mit flinker Grausamkeit.
Seine Hände tasteten nach Gregoric, fanden ihn und hoben ihn auf. Er konnte nicht sagen, ob sein Erster Hauptmann bei Bewusstsein war, aber er fand seinen Arm, nass und glitschig von Blut, und signalisierte mit leichtem Druck folgende Worte:
Halt aus, Freund. Ich bringe dich sicher nach Hause.
Nachdem er ihn sich über die Schulter geworfen hatte, verließ Rudolfo, gebeugt von seinem Gewicht, durch die Rückseite das Zelt.
Er rannte, so schnell er konnte, seine Zunge klickte leicht am Gaumensegel. Die drei Späher, die hinter ihm geblieben waren, verteilten sich. Zwei gingen voraus, um ihren Weg frei zu räumen, und einer blieb hinter ihnen, um die Flanken zu schützen. Sie schlängelten sich auf einem sich stetig wandelnden Pfad davon, gingen nach links, schlugen einen Bogen zurück, wandten sich dann nach rechts. Es war ein chaotisches Bewegungsmuster, das nur wenige voraussagen konnten.
Als sie das Lager verließen und in den Wald schlüpften, befanden sie sich auf der Südseite des bewachten Bereichs, als sie sich durch das offene Gelände schlugen, auf der Westseite. Unterwegs hatten die Vorausspäher drei und die Nachhut zwei Gegner getötet.
Sie hielten am Waldrand an, um Gregorics Wunden zu verbinden, so gut sie es konnten.
Als sie ihn auf dem mit Kiefernnadeln bedeckten Boden ablegten, regte sich der Erste Hauptmann der Zigeunerspäher, packte das Vorderteil von Rudolfos Tunika und signalisierte eine Nachricht am Hals des Zigeunerkönigs.
Lasst mich hier. Ich bin erledigt.
Rudolfo ergriff seine Schulter. Unsinn. Du musst für mich einen Krieg gewinnen.
Gregoric sank zurück in die Bewusstlosigkeit. Als die anderen Späher sich daranmachten, ihn aufzuheben, klang Rudolfos Stimme schärfer, als er beabsichtigt hatte. »Ich nehme ihn«, sagte er.
Seine Beine und sein Rücken schmerzten vom Laufen. Sogar mit den Magifizienten war seine Kraft nicht ausreichend verstärkt, um das zusätzliche Gewicht auszugleichen. Trotzdem ging er in die Hocke, zog Gregoric nach oben über seine Schulter und sprang auf die Beine. Sie rannten am Waldrand entlang nach Westen, bogen scharf nach Norden ab und hielten sich am Fuß des Vorgebirges, dann verließen sie die Deckung und liefen über die offene, vom Schnee verharschte Ebene.
Sie hielten nicht mehr an, bis sie den Ort erreichten, der einst der Mittelpunkt von Windwir gewesen war. Die Grenzläufer standen mit gezückten Bogen da und blickten nach Süden, weil sie nicht erwarteten, dass jemand sich von Westen näherte. Rudolfo pfiff, hoch und schrill, und andere Pfiffe hießen ihn willkommen.
»Ich habe einen Verwundeten«, sagte er, als er den Rand des Kraters erklommen hatte. Er schüttelte die Grenzläufer ab, die versuchten, ihm Gregoric abzunehmen, und legte seinen Freund auf den Boden. »Haben wir einen Arzt hier?«
Aber Rudolfo brauchte keinen Arzt, der ihm sagte, dass irgendwo unterwegs ein weiterer Teil des Lichts aus dieser Welt verschwunden war.
Jin Li Tam
Jin Li Tam las die Nachricht ein Dutzend Mal, ehe sie das Pergament schließlich verbrannte. Und selbst nachdem sie es verbrannt hatte, stand sie ihr noch vor Augen.
Sie war früh am Morgen mit dem Vogel angekommen, von dem ihr Vater wusste, dass er sie immer finden würde, und sie war nicht sicher gewesen, was sie zu bedeuten hatte, bis sie die langen Gesichter ihrer Eskorte sah.
Er wird dich jetzt brauchen , hieß es in der verschlüsselten Nachricht. Tröste ihn, und du wirst seine rechte Hand sein. Dann, verborgen in einer weiteren Verschlüsselung: Trauere um das Opfer deines Bruders für das Licht.
Als sie die Zigeunerspäher wegen ihrer niedergeschlagenen Mienen fragte, erzählten sie ihr von Gregorics Tod, und plötzlich ergab die Nachricht ihres Vaters einen Sinn. Sie ging in ihr Zelt, und zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, weinte sie so leise, wie es einer Tochter von Vlad Li Tam gebührte.
Sie trauerte nicht um ihren Bruder, sondern verspürte einen ausufernden Zorn, der sich über ihre ganze Familie ergoss, am allermeisten über ihren Vater. Natürlich war ihr die Strategie klar. Ein Mensch wurde von den Ereignissen seines Lebens geformt. Das lehrten die Franziner, und es ergab einen Sinn, genauso wie sie auch lehrten, dass man einen Menschen oder eine Gruppe oder sogar einen ganzen Staat beeinflussen konnte, wenn man die Individuen in den Momenten aufrüttelte, in denen sie es nötig hatten: ein bisschen Trauer,
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