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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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gegen ihren Willen hier festhalten. Aber wo sonst konnte sie schon hingehen? Von Zeit zu Zeit schlich sich die tropische Wärme im Haus ihres Vaters in ihre Gedanken, aber sie wusste, dass sie ihm nicht gegenübertreten konnte. Nach Gregorics Tod hatte sie aufgehört, die Nachrichten aus dem Haus Li Tam zu beantworten, selbst jene, die von ihren Geschwistern kamen, die ihren Anteil am Werk ihres Vaters ausführten. Schließlich waren überhaupt keine Botschaften mehr eingetroffen.
    Es war eine Stille, wie sie sie noch nie erlebt hatte, und ein Teil von ihr trauerte darum, während ein anderer Teil spürte, wie eine Freiheit in ihr wuchs, die über alles hinausging, was sie je gekannt hatte.
    Sie war stets stolz darauf gewesen, ihre Frau zu stehen, eine starke Frau, unabhängig und fähig, sich unter allen Bedingungen zu behaupten. Aber während die Zeit nach der Verheerung von Windwir verging und die Erkenntnis, wie sehr ihr Vater sich in Rudolfos Leben eingemischt hatte und wie bedeutend ihr eigener Beitrag zu diesen Bemühungen war, schon eine Weile zurücklag, erkannte sie klar, dass sie niemals ihre Frau gestanden hatte. Sie war die Tochter ihres Vaters gewesen, nicht mehr.
    All diese Ereignisse hatten ihr gezeigt, dass das nicht länger genügte, dass es eigentlich eine höhere Berufung als das Netzwerk der Tam geben sollte.
    Man musste ihrem Vater zugutehalten, dass er sie nicht bedrängt hatte. Aber vielleicht, dachte sie, ist auch das etwas, das er in den kunstvollen Gobelin gewoben hatte, den er und all jene anderen Väter vor ihm geschaffen hatten.
    Rauch quoll aus dem Kamin der kleinen Hütte, und Jin bemerkte Bewegung hinter den Fenstern. Sie verließ ihre Deckung und ging über den schlammigen Pfad auf die Veranda, wo sie leise an die Tür klopfte.
    Die Flussfrau begrüßte sie mit einem Lächeln. »Edle Dame Tam«, sagte sie und klang erfreut, sie zu sehen. »Bitte kommt herein. Ich habe gerade Tee aufgesetzt.«
    Jin stieß ihre Stiefel auf der Veranda von sich, dann versteckte sie sie hinter einem Stuhl. »Ich danke Euch«, sagte sie.
    Sobald sie eingetreten war, sah sie, dass die kleine Hütte und der angrenzende Laden sogar noch voller waren als sonst, dass die üblichen Säckchen und Gläser, die von den Regalen bis auf den Ladentresen überquollen, an manchen Stellen halb so hoch wie sie selbst aufgestapelt waren.
    »Der Krieg ist tragisch, aber gut fürs Geschäft«, sagte die Flussfrau. »Magifizienten für Hufe, Magifizienten für Männer, Magifizienten für Klingen und Verhöre. Sogar die Anatome haben etwas bestellt, um sich für die kommende Arbeit zu rüsten.« Die Frau lachte leise. »Männer und ihre Gewalttätigkeit«, sagte sie. Sie schenkte Tee in zwei Keramiktassen und stellte eine vor Jin Li Tam ab. »Aber genug vom Tod«, sagte die Flussfrau, als sie sich ihr gegenüber niederließ. »Lasst uns vom Leben sprechen.«
    Jin Li Tam nickte und nippte an ihrem Tee. Er schmeckte stark nach Honig und Zitrone und lief geschmeidig und heiß die Kehle hinab. »Ich habe das letzte Pulver aufgebraucht«, sagte sie. »Ich werde mehr davon benötigen.«
    Die Flussfrau lächelte. »Ich kann Euch nicht mehr geben«, sagte sie.
    Jin Li Tam blinzelte und stellte ihre Tasse ab. Panik wallte in ihr auf, und diese Panik verstärkte sich noch und rief blankes Entsetzen hervor, als ihr klar wurde, wie sehr sie sich davor fürchtete, kein Pulver mehr zu bekommen und ihre Versuche mit Rudolfo nicht fortsetzen zu können. Sosehr sie den Betrug auch hasste – ein Dutzend Mal war sie kurz davor gestanden, es ihm zu sagen -, sie war sehr geschickt darin geworden, ihm das Pulver genau dann in seine Getränke zu schütten, wenn sie eine Weile miteinander verbringen würden. Wenn sie es ihm verriet, das wusste sie, würde sie ihn damit unweigerlich auf eine Fährte bringen, die er zu weiteren Täuschungen zurückverfolgen könnte, anhand derer er früher oder später das Werk ihres Vaters entdecken würde – und ihre eigenen Bemühungen, mit denen sie das Werk ihres Vaters unterstützt hatte.
    Sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, wie er sie ansehen würde, sobald ihm klar wurde, dass das Haus Li Tam seinen Bruder, seine Eltern und seinen engsten Freund ermordet hatte, um seinem Leben eine Richtung zu geben, die ein bestimmter Mann für die richtige hielt.
    All das zuckte durch ihre Gedanken, und sie spürte, wie sich etwas in ihrem Herzen zusammenzog. »Das verstehe ich nicht«, sagte Jin Li Tam

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