Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Monate ineinander übergegangen. Er hatte seine Zeit zwischen Windwir und der Front aufgeteilt, während der Krieg nach Süden wanderte und Sethberts Verbündete zurückfielen. Er hatte einen guten Teil seiner Streunenden Armee verloren, während sie Rachyls Brücke über den Zweiten Fluss hielten, die Pylos mit dem Entrolusischen Delta verband. Gleich anschließend hatten die ersten Verhandlungen stattgefunden, aber man war zu keiner Einigung gekommen. Und die beiden Päpste hatten sich stark voneinander abgehoben – Resolut in seinen feinen, weißen Leinenkleidern und Petronus in seinem einfachen, braunen Einsiedlertalar -, während sie manchmal mit gedämpften, manchmal mit erhobenen Stimmen sprachen.
Nun ritt Rudolfo mit Petronus von der Siebten Waldresidenz nach Windwir, um Neb zu holen, da die Arbeit dort erledigt war. Er hatte drei ziemlich genussvolle Tage mit seiner Verlobten verbracht, die er befriedigender empfunden hatte als alles, was er je gekannt hatte. Seit Gregorics Tod hatte er sich ihre Stärke zu eigen gemacht. Es war ein seltsames Gefühl. Gregoric war so lange seine rechte Hand gewesen, und eine Partnerschaft in diesem Ausmaß hatte er sich niemals vorstellen können. Aber diesem neuen Gefüge wohnte eine rücksichtslose Freude inne. Jin Li Tam besaß die Kraft und das Temperament eines Zigeunerspähers, den Verstand und die strategische Vorgehensweise eines Generals. Er bewunderte ihre Fähigkeiten in der Staatskunst und der Intrige. Und über all das hinaus war sie auch noch eine hervorragende Liebhaberin.
Trotzdem gab es keine Zeit, zu der ihm der Verlust seines Freundes nicht naheging. Länger als er sich erinnern konnte, waren sie wie Brüder gewesen, und die Welt ergab ohne Gregoric keinen Sinn. Vielleicht hatte ihn dieser eine Tod so hart getroffen, weil er mit dem Verlust von Windwir zusammenhing. Obwohl die Franziner sagen würden, dass alle Verluste sich auf frühere Verluste bezogen und Gregoric für die letzten Überbleibsel einer Zeit in Rudolfos Leben stand, zu der er noch unschuldig und für nichts verantwortlich gewesen war.
Während er hinausritt, blickte er auf den Hügel oberhalb der Stadt. Der Großteil davon war gerodet worden, seit der Schnee ausblieb, und er erwartete, dass die Arbeiter, die er angeheuert hatte, innerhalb der nächsten Woche die Kuppe planieren und mit dem Ausheben der Kellergeschosse beginnen würden. Die Steine dafür wurden bereits in den niedrigen Hügeln am Fuße des Drachenrückens geschlagen. Er hatte in allen Angelegenheiten, die die Bibliothek betrafen, Petronus den Vortritt gelassen, aber der Papst war eher damit befasst gewesen, den Rat der Bischöfe vorzubereiten, als sich mit den Einzelheiten des Wiederaufbaus herumzuschlagen. Isaak fuhr mit der Arbeit fort, die Besitztümer zu ermitteln, die noch nicht zum päpstlichen Sommerpalast geschafft worden waren. Sie hatten eine kleine Privatbibliothek an den Smaragdküsten entdeckt, die sich inzwischen, mit dem Ende der Schneefälle, auf dem Weg hierher befinden würde.
Rudolfo beobachtete seine Männer, die über den Hügel schwärmten, und sah das Glänzen von Licht auf Stahl – die Morgensonne, die sich auf Isaaks Metallkopf spiegelte. Er wandte sich im Sattel um und starrte auf die schmale Glastür des Balkons seiner Schlafkammer. In ein rotes Seidenlaken gewickelt stand Jin Li Tam im Eingang und blickte ihm nach.
Er lächelte und pfiff, um sein Pferd anzutreiben und Petronus einzuholen.
Der Mann war in den letzten paar Monaten gealtert, aber das war kein Wunder. Das Talent, mit dem er sich durch die politische Landschaft bewegte, beeindruckte Rudolfo, aber es musste einen Tribut fordern. Die Benannten Lande steckten in dem härtesten Konflikt, seit die Siedler über den Hüterwall gekommen waren.
Rudolfo sah, dass auch der Papst auf den Hügel blickte. »Drei Jahre, behaupten unsere optimistischsten Schätzungen«, sagte er. »Aber Isaak ist zuversichtlich, dass wir beinahe vierzig Prozent wiederherstellen können. Er lässt die Automaten ihre Bestände nochmals nachprüfen.«
Petronus nickte. »Ich bin von seiner Leistung beeindruckt.«
Darüber lächelte Rudolfo. »Er ist ein Wunder. Das sind sie alle.«
»Ja«, sagte der Papst, »aber Isaak unterscheidet sich von den anderen. Sie sind zurückhaltender. Sie scheinen nicht die Fähigkeit zur Empathie zu besitzen, wie er sie hat.«
Auch Rudolfo war das aufgefallen. Die anderen Mechoservitoren sagten meist nur dann etwas, wenn man
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