Psalms of Isaak 01. Sündenfall
schließlich. »Ihr habt das Rezept. Ich kann es einrichten, dass Euch alle Zutaten, die Ihr braucht, geliefert werden.«
Die Flussfrau schüttelte noch immer lächelnd den Kopf. »Das wäre nicht klug, edle Dame Tam.«
Jin Li Tam spürte, wie sich Wut in ihr zu regen begann. Sie konnte hören, wie ihre Stimme kalt wurde, als sie ihren Stuhl vom Tisch zurückschob. »Ich brauche dieses Pulver«, sagte sie. »Wenn Ihr es nicht für mich machen könnt, bin ich sicher, dass mir die Frau aus Caldusbucht den Gefallen tun kann.«
Das Lächeln der Flussfrau erlosch nicht, es wurde nur noch breiter, und sie begann zu kichern. »Edle Dame Tam«, sagte sie, »bitte setzt Euch.«
Unsicher hielt Jin inne, dann setzte sie sich. Plötzlich brachte sie es nicht mehr fertig, dem Blick der Flussfrau zu begegnen. Sie sah sich unsicher in der Hütte um.
Jin fühlte, wie die alte, raue Hand der Flussfrau über die ihre strich und sie drückte. »Ich kann Euch kein Pulver mehr geben«, sagte die Flussfrau, »weil es Eurem Kind schaden könnte.«
Jins Blick fuhr hoch. »Meinem was?«
Die Flussfrau nickte. »Es ist jetzt überall an Euch. Im Farbton Eurer Haut. Dem Leuchten Eurer Augen. Sogar in der Art, wie Ihr geht.« Sie erhob sich und ging zu einem Schränkchen hinüber, zog einen Goldring hervor, an den Stücke von rosarotem und blauem Faden geknüpft waren.
Jin Li Tam spürte, wie ihr Herz flatterte und sich ausdehnte. »Ihr meint …?«
Die Flussfrau nickte wieder und nahm einen Eimer mit Flusswasser. »Ihr seid schwanger. Und das erst seit Kurzem.« Sie zwinkerte ihr zu.
Jin Li Tam wusste nicht, was sie sagen wollte. Stattdessen saß sie ruhig da und sah der Flussfrau zu, wie sie den Ring und seine Schnüre mit der Faust umschloss und in einer Sprache, die sie nicht einordnen konnte, etwas vor sich hin murmelte. Die Flussfrau goss Wasser in einen Holzbecher, dann warf sie den Ring hinein und murmelte noch immer.
»Nun«, sagte sie, »wollen wir einmal sehen, was Euer Harn dem Fluss verrät.«
Jin ging in das Hinterzimmer, sie fühlte sich plötzlich unbehaglich und bloßgestellt. Sie spürte, wie Angst und Hochstimmung in ihr darum kämpften, ob sie weglaufen oder tanzen sollte. Schließlich brachte sie den Becher zurück, die Flussfrau nahm ihn und stellte ihn auf den Tisch.
»Nun trinkt Euren Tee aus, Liebes«, sagte die Flussfrau. »Es wird ein Weilchen dauern.«
Jin Li Tam blickte in den Becher und den Ring auf seinem Boden. Die an dem goldenen Ring festgeknoteten Fäden wogten leicht in der Wassermischung. »Was, wenn es nicht stimmt?«
Die Flussfrau schüttelte den Kopf. »Vierzig Jahre, und der Tag, an dem ich eine schwangere Frau nicht erkenne, wenn ich sie in diese Hütte gehen sehe, muss erst noch kommen – selbst wenn es der Morgen danach sein sollte, wenn Ihr wisst, was ich meine.« Sie grinste und nippte an ihrem Tee.
Sie tranken ihren Tee schweigend aus und saßen zusammen, beobachteten den Becher. Schließlich klatschte die Flussfrau in die Hände. »Wunderbar«, sagte sie. Der blaue Faden hatte sich vom Ring gelöst und trieb nach oben.
Jin Li Tam brauchte nicht zu fragen, was das bedeutete. Sie sank in ihren Stuhl zurück und stieß den Atem aus. Sie spürte Tränen in den Augenwinkeln, und ihr Magen fühlte sich plötzlich flau an. »Ein Junge«, sagte sie mit leiser Stimme.
Die Flussfrau nickte. »Ein starker noch dazu, wie es aussieht. Wie werdet Ihr ihn nennen?«
Sie dachte gar nicht darüber nach. Der Name kam ihr sofort in den Sinn, obwohl sie vor diesem Augenblick niemals Überlegungen in dieser Richtung angestellt hatte. »Jakob«, sagte sie. »Wenn es Rudolfo recht ist.«
Das Lächeln der Flussfrau erleuchtete den ganzen Raum. »Ein starker Name für einen starken Jungen.«
Jin Li Tam konnte ihren Blick nun nicht mehr von dem Becher und dem blauen Faden abwenden, der im gelb gefärbten Flusswasser trieb. »Das wird er auch sein müssen«, sagte sie. »Er erbt eine gewaltige Aufgabe.«
Die Flussfrau nickte. »Er wird stark sein, weil er starke Eltern hat.«
Eine der Tränen löste sich und Jin Li Tam spürte, wie sie sich ihren Weg über die Wange hinab bahnte. »Ich danke Euch«, sagte sie.
Die Flussfrau beugte sich vor, ihre Stimme ganz leise: »Edle Dame Tam«, begann sie, »es will mir scheinen, dass Ihr Euch mehr Sorgen darüber macht, wie dieses Kind zustande gekommen ist, als es nötig ist. König Rudolfo wird erfreut sein, und er wird es nicht infrage stellen.« Sie hielt
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