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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Bewachung, besonders seit der gestrigen Niederlage gegen die Streunende Armee. Man hatte die Ehrengarde mindestens verdoppelt, die in Sichtweite des Aufsehers und seines knirschenden, hölzernen Throns aufgestellt war. Außerdem mussten sich Deltaspäher in der Nähe befinden, auch wenn Neb sie nicht sehen konnte.
    Ob er nun magifiziert war oder nicht, Neb bezweifelte, dass er seinen Anschlag überleben würde. Und er war nicht einmal sicher, ob er Erfolg haben würde. Der Aufseher war gut dreimal so groß wie er, und Neb hatte nichts als den Zorn, der ihn antrieb. Außer bei ein paar Prügeleien mit den anderen Jungen hatte er niemals seine Hände zu Gewalttaten erhoben … und noch viel weniger ein Messer.
    Die Worte der Frau kamen ihm wieder in den Sinn: Sethbert hat Windwir zerstört. Er spürte, wie die Wut sich in ihm regte, und er beschwor eine Erinnerung an seinen Vater, Bruder Hebda, herauf, der ihn in den Arm nahm, während sie im Park saßen. Er rief sich ins Gedächtnis, dass das niemals wieder geschehen würde, und das nur wegen dieses Mannes und seiner Taten.
    Selbst wenn es ihn das Leben kostete, er musste es tun. Ihm fiel nichts ein, was er sonst tun konnte.
    Neb hörte einen Schrei und blickte auf.
    Ein alter Mann rannte auf ihn zu und rief dabei einen Namen, den er nicht kannte.
    »Del«, sagte der Alte, »den Göttern sei Dank, dass ich dich endlich gefunden habe.« Er wirkte andeutungsweise vertraut, aber Neb konnte ihn nicht einordnen.
    Er war ein mächtiger Mann – nicht annähernd so beleibt wie Sethbert, aber breitschultrig und schwer gebaut. Er musste beinahe auf die siebzig zugehen, bewegte sich aber, als wäre er weit jünger. Sein weißer Bart stand von seinem Gesicht ab, lang und ungezähmt, und unter seinem Strohhut ragten wirre weiße Haarsträhnen hervor. Seine Augen verbargen sich zwischen Lachfältchen und Krähenfüßen, und ehe Neb reagieren konnte, wurde er von den Armen des Mannes gepackt, gedrückt und hochgehoben. Als er ihn wieder absetzte, warf ihm der alte Mann einen strengen Blick zu. »Ich habe dir doch gesagt, dass du auf mich warten sollst.«
    Neb sah ihn an, nicht sicher, was er tun oder sagen sollte.
    Sethbert räusperte sich. »Du kennst diesen Jungen?«
    Der Alte wirkte überrascht, dann wandte er sich um. »Ja, gewiss. Meine untertänigste Entschuldigung, Herr … Die Erleichterung hat mich überwältigt.«
    Auch Sethbert kniff die Augen zusammen, während er ihn musterte, und Neb fragte sich, ob auch ihm der alte Mann vertraut vorkam. »Du bist der Alte, den meine Späher am Fluss aufgesammelt haben.«
    Der Mann nickte. »Ja, Herr. Wir sind gerade nach Windwir gekommen, als die Stadt …« Er ließ seine Worte ins Leere laufen. »Ich habe nach Überlebenden gesucht, als« – er klopfte dem Jungen auf die Schulter und Neb spürte die Kraft der großen Hand, die auf seinem Rücken lag -, »als mein Del hier irgendwo verloren gegangen sein muss.«
    Neb öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber dann schloss er ihn wieder. Was tat dieser verrückte alte Mann?
    Dann sah Sethbert ihn an, seine Augen kalt und berechnend, seine Lippen nachdenklich geschürzt. »Ich hatte den Eindruck, dass er gesehen hat, wie die Stadt fiel. Meine Ärzte glauben, dass irgendein Trauma ihm die Stimme geraubt hat.«
    Der Alte nickte. »Jawohl«, sagte er. »Aber wir sind erst danach dort angekommen.« Seine Stimme senkte sich. »Seine Mutter ist vor ein paar Tagen von uns gegangen; seither hat er nicht mehr gesprochen.« Daraufhin beugte er sich weiter nach vorne und flüsterte. »Er ist noch nie ganz richtig im Kopf gewesen, wenn Ihr wisst, was ich meine, Herr.«
    Sethberts Augen verengten sich. »Wie bist du mit ihm verwandt?«
    Der alte Mann blinzelte. »Er ist mein Enkel. Sein Vater war ein Androfranziner. Sie wollten ihn in ihre Waisenschule stecken, aber das habe ich nicht zugelassen.« Er blickte Sethbert in die Augen. »Ich halte es nicht sonderlich mit ihren Geheimnissen und ihrer Selbstgefälligkeit. Seine Mutter und ich haben ihn erzogen.«
    Noch nie hatte Neb jemanden so flink lügen sehen, und auch nicht so fachmännisch. Er musterte das Gesicht des alten Mannes, auf der Suche nach einem verräterischen Zucken, das ihn entlarven würde. Nichts.
    Ihm wurde klar, dass Sethbert ihn ansprach, und er blickte auf.
    »Ist dieser Mann dein Großvater?«
    Als er zu dem Alten schaute, wurde ihm klar, dass er ihn schon einmal gesehen hatte. In der Großen Bibliothek – aber wo? Es war

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