Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie
Kein Zweifel: Sie müssen unterm Strich einen Nutzen für die Menschheit haben, sonst wären sie im Lauf der Zeit längst der Evolution zum Opfer gefallen.
Studien aus mehreren Jahrzehnten zeigen in der Tat einen positiven Zusammenhang zwischen religiöser Überzeugung und der Lebensdauer – und damit ist nicht das ewige Leben nach dem Tod gemeint, das manche Religionen uns verheißen, sondern das ganz normale Leben vor der Trauerfeier. Bis zu 30 Prozent soll ein religiöses Leben die Sterbewahrscheinlichkeit senken. Auch zufriedener und gesünder scheint uns die Religion zu machen. Eine plausible Erklärung für diese Zusammenhänge war lange Zeit schwer zu finden.
Neuere Untersuchungen legen nun nahe, dass dieser Befund mit der Selbstkontrolle zu tun haben könnte. Weiter oben (in dem Kapitel »Zimmerpflanzen machen (manchmal) glücklich«) haben wir bereits gesehen, dass zufrieden und gesund ist, wer Kontrolle über sein Leben empfindet.
Wie kann jetzt ausgerechnet die Religion uns mehr Selbstkontrolle verschaffen, wo sie uns doch gerade bestimmte Werte und Verhaltensregeln von außen vorgibt?
Nun, hier geht es selbstverständlich nur um das alltägliche religiöse Verhalten der Massen und nicht um destruktiv-gewaltsame Handlungen bestimmter fundamentalistischer Gruppen. Die alltägliche Religion der Massen kommt ja ohne Waffen und Gewalt aus – sie selbst »zwingt« noch niemanden körperlich dazu, ihre Werte zu achten. Nur weil ich zum Bespiel katholisch bin, legt mir der Papst noch lange keinen Keuschheitsgürtel um, den er erst wieder in der Hochzeitsnacht persönlich entfernt. Ob ich eine Regel »Kein Sex vor der Ehe« befolge, bleibt letztlich nur mir selbst überlassen.
Identifiziere ich mich aber mit den Zielen »meiner« Religion, dann werden diese Ziele im wahrsten Sinne des Wortes für mich »heilig«. Sie werden mystisch aufgeladen und entwickeln eine ganz besondere Kraft, die mir hilft, meine Trägheit zu überwinden. Es macht eben einen Unterschied, ob »der bettlägerigen Nachbarin öfter mal beim Einkaufen zu helfen« nur ein Neujahrsvorsatz ist oder ein religiös aufgeladener Wert. Ich entwickle eine stärkere Kraft, um mystisch aufgeladene Werte einzuhalten – und bin am Ende erfolgreicher damit. Das wiederum verschafft mir ein schönes Kontrollerlebnis, das mich glücklich und gesund macht und mich gleichzeitig dazu anspornt, auch weitere Bereiche meines Lebens beherrschen zu wollen.
Diesen »Trick« können natürlich auch nichtreligiöse Menschen anwenden: Laden Sie einfach Ihre Ziele mit einem höheren, strahlenden Wert auf – mit Nächstenliebe, mit Umweltschutz, Tierschutz, Gesundheit oder einfach Ihrem Beitrag zu einer besseren Gesellschaft. Ihr Körper wird es Ihnen mit dem Glücksgefühl der stärkeren Selbstkontrolle danken. Und mit einem längeren Leben – vor dem Tod.
McCullough, M. E. & Willoughby, B. L. B., (2009): Religion, Self-Regulation, and Self-Control: Associations, Explanations, and Implications. Psychological Bulletin, 135, 69–93
»Er steht einfach nicht auf dich« – Wie wir für alles eine Erklärung finden
Kontrollillusionen können Ihnen helfen – trotzdem sollten Sie sich vor ihnen hüten
Schauen Sie sich diese Zeichnung an. Was erkennen Sie?
Haben Sie Figuren in den Punkten erkannt? Tiere? Bäume? Oder rein gar nichts? Ihre Antwort kann sehr viel über Ihre momentane Verfassung aussagen. Dazu gleich mehr.
Zuerst schauen wir uns eine berühmte Szene der Fernsehgeschichte an. Erinnern Sie sich noch an den inzwischen legendären »Er-steht-einfach-nicht-auf-dich«-Dialog aus der Fernsehserie »Sex and the City«? Eine der Figuren fragt sich, warum ein Mann sie noch nicht zurückgerufen hat, den sie kürzlich kennengelernt hat. Sie sucht nach allen möglichen Gründen – bis ihr jemand zuruft: »Er steht einfach nicht auf dich!« Die Szene hat in Nullkommanichts Kultstatus erreicht; es folgten sogar ein eigenes Buch und ein eigener Film nur mit diesem Titel. Thema jeweils: Wie wir uns mit allerlei Nonsens die Welt erklären.
Weiter oben haben wir ja schon gesehen: Glücklich und gesund ist, wer Kontrolle über sein Leben hat. Unglücklich und ungesund ist, wem die Kontrolle fehlt. Nun gibt es verschiedene Stufen des Kontrollerlebnisses. Die größte Kontrolle habe ich, wenn ich die Zusammenhänge nicht nur verstehe, sondern auch aktiv Einfluss nehmen kann (zum Beispiel verstehe ich, wie ein Telefon funktioniert, weiß, dass auch ich die Nummer
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