Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie
der Sinn des Ganzen?
Erstens: Sie nehmen Ihre Gefühle bewusst als Teil Ihrer selbst wahr und würdigen sie. Das ist gar nicht so selbstverständlich, wie Sie vielleicht denken, denn normalerweise sind wir eher bemüht, bestimmte Gedanken und Gefühle nicht zuzulassen oder zu verdrängen. Damit spalten wir einen Teil von uns selbst ab. Nicht selten schämen wir uns für unsere Gefühle, denn wir haben schon in unserer Kindheit erfahren müssen, dass zum Beispiel Hass oder Wut nicht allzu gut ankommen. Das ist die Hauptursache dafür, dass manche Menschen einen erschwerten Zugang zu ihren Gefühlen haben. Sie haben gelernt, dass man manches nicht empfinden darf, weil es schlecht, böse oder unangemessen ist. Dabei können gerade Wut und Hass ganz natürliche, berechtigte Bestandteile meiner Persönlichkeit sein. Sie zu verdrängen, kann auf Dauer zu unbewusstem Leid und Krankheit führen. Also ist es wichtig, alles zuzulassen und anzuerkennen – aber nicht zwangsläufig auszuleben. Das wäre erst der zweite Schritt. Wut zu verspüren, wenn mein Kollege mich zum wiederholten Male piesackt, ist berechtigt und normal. Das heißt aber nicht, dass ich das Recht habe, ihn zu verprügeln. Wir verwechseln im Alltag häufig das eine mit dem anderen: Weil das Ausleben bestimmter Gefühle bestimmte Folgen hat oder hätte (im Falle des Verprügelns beispielsweise rechtliche Konsequenzen), verbieten wir uns, diese Gefühle überhaupt ernst zu nehmen und anzuerkennen. Fatal. Wir berauben uns unseres inneren Reichtums. Das waren die ersten drei Schritte.
Bei den nächsten beiden Schritten (4 und 5) handelt es sich um sehr hilfreiche therapeutische Interventionen, die zum Beispiel bei schwerer Traumatisierung erfolgreich eingesetzt werden. Bei einer Traumatisierung sind die eigenen Gedanken und Gefühle so stark, dass sie die Persönlichkeit dominieren. Ein normales Weiterleben ist gar nicht mehr möglich, denn die Kontrolle über Gedanken und Gefühle ist verloren gegangen.
Für unsere Zwecke können wir diese Technik, eine unschädliche Sonderform der kontrollierten Verdrängung, hervorragend nutzen, um unsere Gedanken und Gefühle in den Griff zu bekommen. Wir nehmen unsere Gedanken und Gefühle wahr und ernst, würdigen sie als Bestandteil unserer Persönlichkeit – aber wir entscheiden selbst, wann wir uns damit befassen und wann nicht.
Das ist der gesunde Unterschied!
Nicht in jeder Situation kommen unsere Gedanken und Gefühle gelegen. Also lernen wir, die Auseinandersetzung auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen, damit wir bis dahin gut »funktionieren« können und nicht Opfer unserer inneren Wallungen sind. Und wenn wir uns genug mit unseren Gedanken und Gefühlen beschäftigt haben, dann geben wir sie dahin zurück, woher sie kommen. Damit haben wir die Kontrolle! Und Kontrolle scheint ja immer und immer wieder unser großes Thema zu sein …
Fischer, G. & Riedesser, P. (2009): Lehrbuch der Psychotraumatologie (Kap. 4). Stuttgart: UTB
Resick, P. (2003): Stress und Trauma: Grundlagen der Psychotraumatologie (Kap. 7). Bern: Huber
Wie individuell sind Sie – wenn’s drauf ankommt?
Mit sozialpsychologischer »Konformität« stehen Sie immer gut da, verlieren aber auch manchmal Ihre Meinung
Teambesprechung im Büro. Der Kollege stellt sein neues Marketingkonzept vor.
»Das funktioniert doch hinten und vorn nicht …«, denken Sie still bei sich und notieren sich eifrig ein paar Kritikpunkte.
»Was halten die anderen davon?«, fragt Ihr Chef.
Der erste Kollege kommt zu Wort: Findet es super!
Ihre Büronachbarin auch. Ebenso sechs weitere Kolleginnen und Kollegen. Alle sind begeistert.
Nun sind Sie an der Reihe. Was sagen Sie?
Eine schöne Gelegenheit, individuell zu sein, seine Meinung zu sagen, auch eine unbequeme Wahrheit zu äußern, nicht wahr? Alle tragen wir die große Sehnsucht in uns, einzigartig zu sein, unangepasst. Sicher antworten die meisten von Ihnen, dass sie in der Teamsitzung auch dann zu ihrer Meinung stehen würden, wenn alle anderen es anders sehen. So weit das Gedankenspiel.
Befinden wir uns jedoch wirklich in der beschriebenen Situation, dann handeln wir meist anders. Das legen alle bisherigen Forschungsergebnisse nahe. Die meisten Menschen passen sich an, wenn sie die Situation nicht nur auf dem Papier erleben, sondern in Wirklichkeit: Sie finden den Vorschlag am Ende auch gut und werfen ihre Kritikpunkte in den Mülleimer.
Wie kommt es dazu?
In der Wissenschaft nennen wir das
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