Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie
Psychologen Stanley Milgram in den 1960er Jahren die Welt. Niemand hatte zuvor angenommen, dass ganz normale Menschen derart restlos ihr eigenes Gewissen aufgeben und sich einer scheinbaren Autorität unterwerfen würden: Probanden sollten einem Lockvogel Stromschläge verpassen, um angeblich zu prüfen, wie Bestrafung mit Lernen zusammenhängt. Die Stromstärke stieg stetig an bis zu über 400 Volt. Der Lockvogel schrie, protestierte und reagierte am Ende gar nicht mehr – trotzdem erhöhten die meisten Probanden gehorsam den Strom, wenn der Versuchsleiter sie dazu aufforderte. Sie gaben die Verantwortung erschreckend leicht an eine Autorität ab.
Nun muss es nicht immer schlecht sein, sich konform zu verhalten. Oft bekommen wir eben doch die richtigen Informationen, wenn wir nach links und rechts schauen. Und wenn jeder immer und überall seine Überzeugung gegen die anderen durchsetzen würde, könnten wir in der Gesellschaft nicht mehr zusammen leben, schon gar nicht zusammen arbeiten. Aber bewusst sollten wir es schon tun. Fragen Sie sich doch beim nächsten Mal: Bin ich das selbst – oder wirkt hier gerade ein informativer oder normativer Einfluss?
Asch , S. (1951): Opinions and social pressure. Scientific American, 193, 31–35
Berns, G. S., Chappelow, J., Zink, C. F., Pagnoni, G., MartinSkurski, M. E. & Richards, J. (2005): Neurobiological Correlates of Social Conformity and Independence During Mental Rotation. Biological Psychiatry, 58, 245–253
Milgram, S. (1982): Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität. Reinbek: Rowohlt
Rohrer, J. H., Baron, S. H., Hoffman, E. L. & Swander, D. V. (1954): The stability of autokinetic judgments. Journal of Abnormal and Social Psychology , 49, 595–597
Wo Sie sich am besten überfallen lassen sollten
So tricksen Sie den Zuschauereffekt aus
Nehmen wir an, jemand erleidet ganz plötzlich einen Herzinfarkt. Was meinen Sie: In welcher Situation überlebt er am ehesten?
❏ Abends im Büro, wenn er Überstunden macht und schon alle gegangen sind bis auf eine einzige Kollegin im Zimmer nebenan. Sie ist allerdings schwanger und kann daher kaum noch laufen und schon gar keine Erste Hilfe leisten.
❏ In der U-Bahn, in der 30 Menschen um ihn herumsitzen, die fast alle ein Handy haben und körperlich fit sind.
Intuitiv möchten die meisten eher viele Menschen um sich herum haben, wenn sie einmal in Not geraten sollten. Niemand möchte in einer solchen Situation gern von nur einer Person abhängig sein. Je mehr Menschen es gibt, desto eher wird schon einer helfen können und wollen, denken wir oft.
Tatsächlich ist es aber besser, wenn wir in einem Notfall so wenige Menschen wie möglich um uns herum haben (so lange es wenigstens einer ist) – es steigert unsere Überlebenschance drastisch. Diesen traurigen Effekt können wir regelmäßig in der Zeitung nachlesen: Jemand wird zum Beispiel an öffentlichen Orten überfallen, Dutzende Menschen stehen herum, aber es dauert wertvolle Minuten, bis jemand endlich hilft. Oft hilft auch gar niemand. Hinterher ist der Schock im Lande jedes Mal groß. Wie kann das passieren, fragen sich alle? Leben wir in einer Gesellschaft feiger Egoisten? Sind wir alle nur Voyeure, im wahrsten Sinne des Wortes hilflos?
Die wissenschaftliche Erklärung ist etwas schwieriger. Dass viele Menschen eher zuschauen als helfen, ist in der Psychologie als der »Zuschauereffekt« gut erforscht. Manche nennen ihn auch das »Genovese-Syndrom«. Die Amerikanerin Kitty Genovese wird in den 1960er Jahren in New York City brutal überfallen und ermordet. Der Überfall dauert über eine halbe Stunde; Ermittlungen ergeben später: Mindestens 38 Personen beobachten oder hören die Tat. Keiner von ihnen hilft.
Welche Gruppendynamik läuft in solchen Fällen ab?
Hier wirken zunächst zwei Phänomene zusammen, die wir bereits kennengelernt haben: der informative und der normative Einfluss.
Wenn wir unsicher sind, wie wir eine Situation einzuschätzen haben, dann orientieren wir uns an den Menschen um uns herum und »borgen« uns von ihnen Informationen. Besonders in Notsituationen sind wir fast immer unsicher, denn sie passieren nicht alle Tage in unserem Leben. Uns fehlt die Übung. Wir fragen uns: Was geht hier vor sich? Ist es gefährlich oder sieht es nur so aus? Was soll ich tun? Außerdem ist in Notfällen meist die Zeit knapp – ein weiterer Grund, nicht lange zu überlegen, sondern uns nach den Menschen um uns herum zu
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