Psychologische Homöopathie
oder die eine Seite kräuselt sich nach oben und die andere nach unten, was dann etwas komisch wirkt (wie die buschigen Augenbrauen des britischen Politikers Dennis Healy).
Das Gesicht ist im allgemeinen knochig und gewöhnlich breit mit einer ausgeprägten Nase, die häufig gerade oder auch zur Hakennase gekrümmt ist – was ich eine »Feuernase« nenne, weil sie auf eine Verbindung mit dem Feuerelement hinweist, Sehr oft hat Sulfur einen Kopf, der im Vergleich zum Körper groß wirkt. Das stimmt mit seinem ausgeprägten Ego sowie seinengeistigen und spirituellen Interessen überein. (Das eindrucksvolle Gesicht des Shakespeare-Schauspielers Brian Blessed ist ein gutes Beispiel dafür. Seine Rollen entsprechen ebenfalls dem klassischen »überlebensgroßen« Sulfur.)
Sulfurs Kinn ist gewöhnlich breit und fest, was auf Selbstvertrauen hindeutet. Ausnahmen bilden die ektomorphen Intellektuellen, bei denen das Kinn im Vergleich zur breiten Stirn spitz wirkt.
Ihrer überschwenglichen Persönlichkeit entsprechend tragen Sulfur-Menschen gerne extravagante Farben. Die Kleidung kann modisch oder edel sein, wie beispielsweise die Fliegen und Krawatten, für die Sulfur schwärmt, oder sie kann einfach exzentrisch sein. Mein Sulfur-Schulfreund trug gerne einen Mantel, der an ein Yakfell oder ein pelziges Mammut erinnerte und seine ohnehin kräftige Gestalt in etwas verwandelte, das ziemlich spektakulär aussah.
Syphilinum
Grundzug: krankhafter Trübsinn
Syphilinum ist ein seltsamer und deshalb faszinierender Konstitutionstyp. Er ist nicht weit verbreitet, und seine Geistessymptome werden in den alten Arzneimittellehren kaum berücksichtigt. Vereinfacht kann man die drei Miasmen nach folgenden funktionellen Kriterien unterteilen:
Psora – Unterfunktion (z. B. verstopfung, Apathie)
Sykose – Überfunktion (z. B. Durchfall, Eile)
Syphilis – gestörte Funktion (z. B. Darmgeschwüre, Geisteskrankheit)
Mittel, die mit geistig gestörten Persönlichkeitsbildern korrespondieren, wie Stramonium, Hyoscyamus und Anacardium, gehören im wesentlichen zum syphilitischen Miasma. Insofern ist es kein Wunder, daß Syphilinum selbst ein merkwürdiges Bild geistiger Störung bietet. Ich möchte jedoch gleich betonen, daß einige Syphilinum-Menschen nur wenige oder gar keine der abnormen Geistessymptome des Mittels zeigen und fast nur auf der Basis ihrer körperlichen Symptome, ihrer Familiengeschichte und der Allgemeinsymptome identifiziert werden können.
Die Tochter des Todes
Der merkwürdigste und faszinierendste Aspekt im Persönlichkeitsprofil von Syphilinum ist die Tendenz, sich von allem angezogen zu fühlen, was mit dem Tod zusammenhängt. Eine Syphilinum-Frau, die mir in jeder Beziehung geistig normal vorkam, erzählte mir, daß sie als Kind vom Tod so fasziniert war, daß sie die Körper toter Tiere in einer Schublade aufhob, um hin und wieder einen Blick daraufwerfen zu können. Sie begrub ihre Katze im Garten und grub sie alle paar Monate wieder aus, um die Überreste zu untersuchen. Dabei spürte sie keine Traurigkeit, sondern war lediglich fasziniert von dem fortschreitenden Verfall. Ihre Hauptbeschwerde war eine starke Agoraphobie (Platzangst), die nur in fremder Umgebung auftrat und sehr gut auf Syphilinum 10M reagierte.
Syphilinum-Menschen können sich von allem angezogen fühlen, was mit dem Tod zusammenhängt. Eine meiner Patientinnen, ein auf typische Weiseblasses, abgemagertes Mädchen, sagte, ihre Lieblingstiere seien Spinnen und Fledermäuse. Sie hielt sich eine Spinne als Haustier und fütterte sie gelegentlich mit Fliegen. Außerdem liebte sie Friedhöfe, wo sie oft spazierenging und sich die Grabsteine ansah. Das gab ihr ein Gefühl des Friedens. Wie viele Syphilinum-Menschen war sie oberflächlich relativ normal und zeigte ihre ungewöhnlichen Vorlieben und ihre krankhaften Geistessymptome nur bei näherem Hinsehen. Einige Syphilinums haben eine Art sadistischer Ader: Sie beobachten gerne, wie Tiere sterben, und zertreten deshalb Insekten oder werfen sie ins Wasser und beobachten, wie sie ertrinken. Ich habe bisher nicht erlebt, daß sich Syphilinum auch gegenüber Menschen grausam verhält, aber das Potential ist wahrscheinlich vorhanden.
Daß Syphilinum vom Tod und von makabren Dingen fasziniert ist, spiegelt sich manchmal auch in ihren Träumen. (Die meisten Syphilinum-Patienten, die ich kennengelernt habe, waren weiblich.) Eine Patientin erzählte mir, sie träume oft von Skeletten oder Schädeln
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