Psychologische Homöopathie
tendenziell bessert (Kent: »Selbstmordgedanken beim Erwachen«). Dem depressiven Natrium geht es auch besonders schlecht, wenn er aufwacht, aber sein Zustand bessert sich im Laufe des Tages nicht so sehr.
Senilität und Demenz
Lycopodium hat etwas Ähnlichkeit mit Barium in dem Sinne, daß der Typ durch eine gewisse Unreife gekennzeichnet ist, die sich in Fällen von Senilität verschärft. (Dasselbe kann man von Sulfur sagen.) Die wesentlichen Züge des dementen oder senilen Lycopodium sind eine Übertreibung der Charakteristika, die man beim jüngeren Lycopodium findet.
Vergeßlichkeit ist bei allen Fällen von Senilität verbreitet, aber es gibt eine für Lycopodium charakteristische Form von Vergeßlichkeit, die auch bei nichtsenilen Menschen auftritt, im Laufe der Jahre und bei nachlassenden Geisteskräften jedoch immer offensichtlicher wird. Es handelt sich um die Neigung von Lycopodium, Namen zu vergessen. Wenn er einen Bekannten trifft, kann Lycopodium in Angst und Verlegenheit geraten, weil ihm der Name nicht einfällt, obwohl sich die beiden vorher schon oft gesehen haben (Kent: »schlechtes Gedächtnis – Namen«). Der senile Lycopodium hat die Angewohnheit, bei nahezu jedem, auch bei Farnilienmitgliedern, den Namen durch »Wie heißt der doch gleich« zu ersetzen.
Mit zunehmendem Alter tendiert Lycopodium dazu, weniger nachgiebig und mehr streitsüchtig zu werden. (Kent: »wortkarg«, »streitsüchtig«, »Grobheit«.) Der ältere Lycopodium-Mann hat manchmal etwas von einem kleinen Tyrannen, wenn er die Leute herumscheucht, als seien sie Dienstboten (Kent: »überheblich«), Es ist so, als sei er am Ende mutig genug, die Schlachten zu schlagen, die er immer vermieden hat. Da er sich nun jedoch außerhalb des Schlachtfelds befindet, richtet er sein Feuer statt dessen auf seine Begleiter. Demente Lycopodium-Männer in Pflegeheimen haben die Angewohnheit, ihre Pflegerinnen anzugreifen, wenn sie ausgezogen oder gebadet werden sollen. Dann stoßen sie obszöne Verwünschungen aus und treten und beißen. Sie flirten auch ganz offen mit ihren Pflegerinnen oder machen sexuelle Annäherungsversuche und wirken dann wie eine komische Imitation des jüngeren Lycopodium-Romeo.
Die chronische Furchtsamkeit vieler Lycopodium-Typen kann sich im Alter in Argwohn verwandeln (Kent: »mißtrauisch, argwöhnisch und ständig auf der Suche nach Fehlern«). In echter Lycopodium-Manier wird der demente Lycopodium einen Satz auseinandernehmen, nach Anzeichen von Aggression darin suchen, um dann Einwendungen gegen einen Punkt nach dem anderen zu erheben und dabei zu predigen, als sei er die letzte Autorität für die Wahrheit. Diese Wortgefechte sind eine Übertreibung der Neigung des intellektuellen Angebers, zu predigen und zu widersprechen. (Die Demenz von Sulfur hat viele Ähnlichkeiten. Der hauptsächliche Unterschied besteht darin, daß Sulfur sich selbst für noch wichtiger hält als der demente Lycopodium – ein Beispiel für den klassischen Größenwahn von Sulfur. Sulfur kann auch endlos über irgendwelche sachlich korrekten Informationen faseln, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hat, weil sie ihn faszinierten.)
Die Lycopodium-Frau
Ich habe das Thema der Lycopodium-Frau nicht aus Chauvinismus bis zuletzt aufgespart, sondern eher, weil viel von dem, was ich schon geschrieben habe, für beide Geschlechter gilt. Nach meiner Erfahrung ist nur etwa ein Zehntel aller Lycopodium-Typen weiblich. Im Hinblick auf den hohen Anteil der Bevölkerung, der mit dieser Arznei in Resonanz steht, bedeutet das, daß es trotzdem ziemlich viele Lycopodium-Frauen gibt. Unter meinen Patientinnen sind sie ungefähr so häufig wie Sepia-Frauen und häufiger als Pulsatilla oder Silicea.
Lycopodium-Frauen sind im allgemeinen aufrichtiger als die Männer, weil sie nicht versuchen, ihre Unsicherheit hinter einer Maske von Prahlerei und intellektuellem Rationalisieren zu verbergen. Alle Lycopodium-Frauen, die ich behandelt habe, konnten sehr offen über ihre Ängste sprechen, die in den meisten Fällen beträchtlich waren und manchmal sogar lähmend wirkten. Es sind dieselben Versagensängste, die wir auch bei den Lycopodium-Männern finden. Bei Frauen entwickelt sich daraus oft die Furcht, als Frau und Mutter unzulänglich zu sein. Die erwerbstätigen Frauen machen sich oft große Sorgen über ihre Leistungen bei der Arbeit, besonders wenn sie vor größeren Gruppen von Menschen sprechen müssen. Eine Lycopodium-Frau suchte mich auf,
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