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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Skelettmuskeln entspannten, seine Augen tränten, spürte die vertraute Versteifung in seinem Schoß. Er fühlte sich, als könne er seine eigene Haut abstreifen und in ein anderes Leben schlüpfen. Er fühlte sich frei.
    Er schlug seine Augen auf und wollte nach dem viertenKrankenblatt greifen, doch ein Klopfen an der Tür ließ ihn innehalten. Er seufzte tief und sehnsüchtig, stand auf, ging zur Tür und öffnete sie.
    Michelle Jenkins stand lächelnd vor ihm. »Haben Sie sich schon heimisch gemacht?«, fragte sie.
    Jonah drehte sich um und ließ seinen Blick über das Büro schweifen. Es war ein kahler Raum mit einem Schreibtisch aus billiger Spanplatte, einem schwarzen, ledernen Schreibtischsessel, einem einzelnen Sessel für Patienten, einem leeren Bücherregal und einem beige lackierten, metallenen Aktenschrank. Die Wände waren eierschalenfarben, frisch gestrichen und mit zwei gerahmten Gebirgslandschaften, ähnlich denen im Hörsaal, geschmückt. »Es fehlt noch das gewisse Etwas«, sagte er.
    »Jim Wyatt hatte jeden Zentimeter dieses Büros mit Büchern und Zeitschriften voll gestopft. Die Wände waren mit selbst aufgenommenen Fotos und selbst gemalten Landschaftsbildern behängt. Er war fast zwanzig Jahre hier.«
    »Ich glaube nicht, dass ich dem Zimmer in sechs Wochen meinen eigenen Stempel aufdrücken kann«, erwiderte Jonah. Er ging zum Schreibtisch und setzte sich auf die Kante.
    Jenkins trat in das Büro. Sie deutete mit einem Nicken auf Jonahs Aktentasche, die neben dem Schreibtisch stand – ein großer, abgewetzter brauner Lederranzen mit einem altmodischen Schloss. »Unterschätzen Sie sich nicht«, bemerkte sie. »Da ist ja schon ein Hauch von Persönlichkeit.«
    »Die habe ich seit meiner Assistenzzeit«, erklärte Jonah.
    »Wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht?«, fragte sie.
    »New York«, antwortete er.
    »Lassen Sie sich doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. In welchem Krankenhaus?«
    »Columbia Presbyterian.«
    »Ich bin beeindruckt.«
    »Und Sie?«
    »Mass General, in Boston.«
    »Ich bin sehr beeindruckt«, sagte Jonah.
    »Halb so wild«, erwiderte Jenkins. »Mit mir konnten sie einfach ihre gesamte Minderheitenförderung in einer Person abhaken. Ich bin sicher, ich war die einzige Frau halb asiatischer, halb lateinamerikanischer Abstammung, die sich für eine Assistenz dort beworben hat. Dass ich aus Colorado komme, hat wahrscheinlich auch nicht geschadet.«
    »Sie sind weit weg von zu Hause«, bemerkte Jonah.
    »Ich bin einem Skilehrer gefolgt«, sagte Jenkins. »Er ist mein Ehemann geworden. Von da an ging’s bergab.«
    Jonah lachte. »Sind Sie noch zusammen?«
    »Geschieden«, sagte sie. »Vor elf Monaten.«
    »Darf ich fragen, wie lange Sie verheiratet waren?«
    »Sie dürfen mich alles fragen«, sagte Jenkins. Sie sah Jonah mit ihren bernsteinfarbenen Augen an, während sie sich in den Sessel vor seinem Schreibtisch setzte. »Fünf Jahre. Irgendwo zwischen fünfundzwanzig und dreißig Affären. Ich hab das Zählen aufgegeben. Es rufen immer noch Frauen für ihn an.«
    »Verstehe«, sagte Jonah. Jenkins war eine verschmähte Frau. Er betrachtete den Brillanten an ihrem Mittelfinger. Nichts, was sie gesagt hatte, erklärte ihn.
    »Nicht von ihm«, sagte Jenkins und ließ ihn noch immer nicht aus den Augen, während sie mit ihrem Daumen über den Stein rieb. »Er gehörte meiner Mutter. Sie ist gestorben, als ich noch Teenager war.«
    Tod. Wieder einmal. Die große Konstante. Ein Trauermarsch, der im Hintergrund jeder unbekümmerten Begleitmusik des Lebens mitschwang. »Das tut mir Leid«, sagte Jonah.
    Jenkins zuckte mit den Achseln. »Wir haben uns nicht verstanden«, erklärte sie. »Ich habe mich mit dem Erwachsenwerden wirklich schwer getan, dachte, die ganze Welt sei gegen mich. Wir haben uns ständig in den Haaren gelegen. Wie es sich ergab, hatten wir keine Gelegenheit, uns auszusöhnen.«
    Jonah neigte seinen Kopf und musterte Jenkins. Selbst für eine Psychiaterin wirkte sie ausgesprochen offen, bereit, eine Menge über sich preiszugeben.
    »Also, was sollte das mit der Anmache vorhin vor meinem Boss?«, fragte sie. »›Sie können ja meine Retterin sein und mich wieder aufrichten, wenn ich abstürze.‹ Nicht gerade subtil.«
    »Es war nicht als Anmache gemeint«, versicherte Jonah ihr.
    »Dann müssen Sie mich wirklich abschleppen wollen«, erwiderte Jenkins, »wenn die Botschaft geradewegs aus Ihrem Unterbewusstsein gekommen ist.«
    Sie war geradewegs aus Jonahs

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