Psychopath
meinem Kumpel Brian Strasnick in Lynn vorbeifahren. Willow Street Medical Center. Er ist die halbe Nacht da.«
»Ich hab Casey versprochen, dass ich mich mit ihr treffe«, wandte Billy ein.
»Triff dich hinterher mit ihr«, sagte Clevenger und versuchte mühsam, sich zu beherrschen.
Billy lächelte und schüttelte den Kopf. »Das wird ihr nicht ge...«
»Es ist mir scheißegal, ob es ihr gefällt oder nicht«, platzte Clevenger heraus. »Wir haben abgemacht, dass du im Mass General einen Drogentest machen lässt und dann zu deinem Vorstellungsgespräch auf der Werft gehst. Und du hast mich enttäuscht. Also fährst du jetzt mit mir nach Lynn.«
»Weil du mir nicht traust«, sagte Billy und versuchte, verletzt zu klingen.
»Weil du deinen Teil der Abmachung nicht gehalten hast«, gab Clevenger zurück.
Billy schüttelte den Kopf. Scheiß drauf, dachte er. Vielleicht war das Gerät von diesem Strasnick ja kaputt. Vielleicht würde er Gelegenheit haben, seinen Urin mit Wasser zu mischen und die Drogenmetabolite bis unter ihre messbaren Konzentrationen zu verdünnen. Wenn nichts davon klappte, hatte er wenigstens noch einen Abend mit Casey, bevor Clevenger ihn zur Schnecke machen würde. »Gut«, sagte er. »Dann mal los.«
»Wie war’s in Quantico?«, fragte Billy, sobald sie in Clevengers Pick-up eingestiegen waren.
»Ich denke, es ist ziemlich gut gelaufen«, sagte Clevenger.Er hoffte, dass Billy es damit gut sein lassen würde – aus zwei Gründen. Erstens war er zu wütend für eine nette kleine Plauderei. Zweitens und hauptsächlich wollte er Billy von seiner forensischen Arbeit fern halten, um ihm die tägliche Dosis an Dunkelheit zu ersparen.
»Bei welchem Fall sollst du ihnen helfen?«
»Bei einem Mordfall.«
»Der Highwaykiller?«, fragte Billy aufgeregt. »Wär das nicht total cool, an dem Fall zu arbeiten?«
»Sie haben mich gebeten, nicht über das Treffen zu sprechen«, erwiderte Clevenger verkniffen. Er warf einen Blick auf Billy und sah seine Enttäuschung. »Mit niemandem.«
»Klar«, sagte Billy.
»So wollen sie es nun mal.«
»Aber du hast ihnen gesagt, dass du vor North keine Geheimnisse hast.«
Clevenger erkannte, dass Billy um seine Position kämpfte. Ein Teil von Billy wollte nichts mit Clevenger zu tun haben, doch ein anderer wollte ihm so nah kommen, wie er nur konnte. Näher als sonst jemand. Und wenn Billy den Drogentest gemacht hätte, dann hätte Clevenger ihm vielleicht auch ein wenig mehr über das Treffen erzählt. Nichts Grausiges. Nichts wirklich Geheimes. Nur eine Kleinigkeit, um ihn wissen zu lassen, Clevenger zog ihn ins Vertrauen. Aber das würde jetzt die falsche Botschaft aussenden. Billy hatte zu lernen, dass man sich Vertrauen verdienen musste. »North hat mich schon lange nicht mehr enttäuscht.«
Billy wandte sich ab und starrte aus dem Beifahrerfenster.
Sie fuhren die nächsten paar Minuten schweigend die Route 16 East entlang durch Revere. Clevenger fragte sich, was Billy jetzt wohl durch den Kopf ging, und kam zu dem Schluss, dass er sich wahrscheinlich weniger um den Drogentest sorgte als darum, ob er ihn rechtzeitig hinter sich bringenkonnte, um in Lynn den Zug zu erwischen, der ihn zehn Meilen weiter nach Peabody bringen würde, wo er sich mit seiner Freundin im North Shore Shopping Center treffen wollte. Das hatte er noch schnell mit ihr verabredet, bevor Clevenger und er den Loft verlassen hatten. Vielleicht fragte er sich, ob es bei Tower Records wohl die CD gab, die er unbedingt haben wollte, oder ob er genug Geld für ein Zimmer im Motel 6 an der Straße zum Einkaufszentrum hatte.
Doch Billy dachte nichts dergleichen. In diesen zwei Minuten des Schweigens, während er aus dem Fenster starrte, überlegte er, wie es wäre, wenn er einfach die Beifahrertür öffnen und aus dem Pick-up springen würde. Eine überwältigende Mischung aus Panik und Vergnügen, just in dem Moment, bevor er auf der Straße aufschlug, schwebte ihm vor, und ein Großteil des Vergnügens bestünde darin zu sehen, wie entsetzt Clevenger sein würde. Er hörte das Kreischen der Bremsen, als Clevenger schlitternd am Straßenrand zum Stehen kam, das Geräusch der Schritte, als er zu der Stelle lief, wo Billy bäuchlings und blutend auf dem Asphalt lag. Und obgleich Billy das Gefühl der Befriedigung, die er empfinden würde, wenn er sich umdrehen und die Trauer und die Panik in Clevengers Gesicht sehen würde, nicht gänzlich erklären konnte, war ihm doch ein Zusammenhang
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