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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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über jeden der Tatorte gesammelt und jeder der am Tisch versammelten Personen ihre intuitive Reaktion zu diesem Fall entlockt.
    Er ging davon aus, dass der Täter tatsächlich ein Mann war, nicht nur, weil die Statistiken es so wollten, sondern wegen der Kraft, mit der die Klinge die Halsschlagadern und Luftröhren der Opfer durchtrennt hatte. Er war vermutlich mindestens vierzig, denn es war schwer, sich vorzustellen, dass ein jüngerer Mensch die Umgangsformen und das Auftreten besaß, um auf Anhieb das Vertrauen seiner Opfer zu gewinnen. Er war gut aussehend, aber nicht sonderlich sexy, sodass Frauen in ihm keine Bedrohung sahen. Seine Geschicktheit im Umgang mit Spritzen deutete darauf hin, dass er in einem Krankenhaus oder in der Ersten Hilfe oder in einer Blutbank gearbeitet hatte. Und er war wahrscheinlich ein Einzelkind, denn sein Bedürfnis nach Nähe – nach »Blutsverwandten« – war so extrem, dass es schwer vorstellbar war, dass es sich in der Gegenwart von Geschwistern entwickelt hatte. Whitney McCormicks Theorie, dass er verwaist war oder verlassen wurde, kam der Wahrheit vermutlich ziemlich nah.
    Kein Teil des Täterprofils war unangreifbar, und es bot vorläufig kaum Anhaltspunkte, aber einer Sache war sich Clevenger sicher: Es würde weitere Leichen zu obduzieren und weitere Tatorte zu untersuchen geben. Der Mörder stand unter dem Zwang weiterzumorden. Er war süchtig danach.
    Während die Limousine zurück zum National Airport fuhr, dachte Clevenger abermals an die dreizehn Fotos, die Bob White auf dem Konferenztisch in der Abteilung für Verhaltensforschung ausgebreitet hatte. Dreizehn Leben. Und jetzt war die Zahl der Opfer auf vierzehn gestiegen, und niemand konnte sagen, wie viele Leichen noch darauf warteten, gefunden zu werden.
    Clevenger vermutete, dass der Mörder vielleicht ebenfalls an seine Opfer dachte. Just in diesem Moment konnte er den Highway entlangfahren, begierig darauf, dass die Sonne unterging, dürstend danach, ein weiteres Leben auszulöschen und seine Familie, seine Blutsverwandtschaft zu vergrößern.
    Er fühlte, wie ein vertrauter Hass in ihm hochbrodelte. Eine tiefe Abscheu. Denn für Clevenger war das Ende des Lebens der Feind. Er verachtete den Tod, egal, welche Gestalt die Bestie annahm – Krebs, Alter oder Mord. Er hatte sich schlicht die Todesart ausgesucht, die er mit dem, was er gelernt hatte, und mit seiner Art zu denken ausschalten konnte. Und wenn die Leute gelegentlich sagten, dass er bei seiner Arbeit über das Ziel hinausschoss, dann begriffen sie einfach nicht, was sie für ihn bedeutete. Jede Ermittlung war ein Krieg. Man lieferte sich ein Duell mit dem Tod, versuchte, ihn in die Knie zu zwingen, und man musste bereit sein, alles zusetzen, wenn der Tod den Einsatz erhöhte – sogar sich selbst zu opfern, wenn es nötig war, um das Blutbad zu beenden.
    Die Limousine setzte ihn vor dem US-Air-Terminal ab. Die ersten beiden Pendlerflüge von Washington nach Boston waren wegen Nebel über dem Logan Airport gestrichen, und als Clevenger schließlich auf heimatlichem Boden landete, war es siebzehn Uhr fünfzehn. Er holte seinen Pick-up aus dem Parkhaus und rief über sein Handy das Labor des Mass General an. »Dr. Frank Clevenger hier«, sagte er zu der Frau, die sich meldete. »Ich wollte mich nach den Ergebnissen der toxikologischen Untersuchung von Billy Bishop erkundigen.«
    »Geburtsdatum?«, fragte sie.
    »11. Dezember 1987.«
    »Bleiben Sie dran, Doktor.«
    »Bitte, lass das Ergebnis negativ sein«, flüsterte Clevenger. Nicht dass er fand, Marihuana sei das Ende der Welt. Nicht dass die meisten Sechzehnjährigen nicht hin und wieder einen Joint rauchten. Aber wenn das Zeug in Billys Blut war, dann hatte Billy ihn rundheraus angelogen – darüber, dass er Drogen nahm, und wahrscheinlich auch darüber, dass er damit handelte. Und das würde bedeuten, dass seine Persönlichkeit entschieden nicht auf dem Weg der Heilung war.
    Eine Minute verstrich. Clevenger kam es wie zehn vor. »Hallo?«, drängte er.
    »Nur einen Moment«, sagte die Frau. »Mein Computer ... Okay ... Nein. Wir haben nichts im System.«
    »Er ist nicht da gewesen?«, fragte Clevenger.
    »Anscheinend nicht«, antwortete sie.
    »Könnte das Ergebnis irgendwo anders festgehalten sein?«
    »Wenn er eine toxikologische Untersuchung hätte machen lassen, dann wäre es im Computer vermerkt, selbst wenn das Ergebnis noch ausstehen würde.«
    »Nun, danke fürs Nachschauen«, sagte Clevenger

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