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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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mit der Tatsache bewusst, dass Clevenger nicht bereit war, ihm auch nur annähernd so wehzutun, wie er sich selbst wehzutun bereit war. Das war sein letzter Trumpf, sein Ass im Ärmel, selbst wenn er nicht zu sagen vermochte, was für ein Spiel er und Clevenger spielten, selbst wenn ihm gänzlich die Tatsache entging, dass Clevengers Zurückhaltung etwas war, das man Liebe nannte, und dass seine eigene Unfähigkeit dazu etwas war, das man Selbsthass nannte.
    Billy Bishop mochte seinen Körper anbeten und sein Haar und den kleinen Goldring in seiner Nase und die blaugrünenBuchstaben und den tätowierten Piratenschädel auf seinem Rücken. Er mochte damit protzen, dass er ein unschlagbarer Kämpfer war, ein großartiger Footballspieler und ein Magnet für hübsche Mädchen. Doch seine Eitelkeit war nur ein Schutzmechanismus dagegen, wie er sich in seinem Innern fühlte – hässlich, verdorben bis ins Mark, als jemand, der alle Prügel verdiente, die er jemals bezogen hatte und je beziehen würde. Wie fast jedes misshandelte Kind glaubte er im tiefsten Winkel seiner Seele, dass sein Peiniger, der Mann mit dem Riemen, recht gehandelt hatte.
    Doch Billy endete nicht auf dem Straßenasphalt. Als die zwei Minuten Schweigen zu Ende waren, machte er einen Satz in die andere Richtung. Er drehte sich zu Clevenger um. »Wir müssen diesen Drogentest nicht machen«, sagte er.
    »Wir machen ihn«, beharrte Clevenger.
    »Ich kann dir sagen, was das Ergebnis sein wird.«
    Clevenger schaute zu Billy und sah, dass es ihm ernst war. Er zog auf den Parkplatz eines Dunkin’ Donuts und hielt an. »Okay. Was wird es sein?«
    »Marihuana«, sagte Billy und widerstand der Versuchung zu grinsen. »Ich hab ein paar Joints geraucht, die ich an der Schule nicht verscherbeln konnte.«
    Clevenger sank der Mut. Einen Moment lang fühlte er sich vollkommen machtlos, töricht, auch nur zu versuchen, einem Jungen ein Vater zu sein, wo er doch selbst keinen Vater gehabt hatte. Wen wollte er überhaupt retten? Billy? Sich selbst? Warum gab er nicht endlich zu, dass sie beide zusammen hoffnungslos waren, ein Blinder, der einen Blinden führte? »Wie viel von dem Zeug hast du ...«
    »Das ist nicht alles, was der Test nachweisen würde«, sagte Billy
    Clevenger atmete tief durch und fragte sich, was noch kommen würde.
    »Marihuana ..«, fuhr Billy fort und beobachtete genüsslich, wie jenes Wort Clevenger abermals zu verletzen schien. »Und Kokain ... und Steroide.«
    Clevenger erkannte an Billys Tonfall, dass er ihn verletzen wollte, dass er versuchte, ihn auf die einzige Weise auf sich aufmerksam zu machen, die er kannte – negativ, durch Konfrontation. Und das erinnerte ihn daran, dass er von Anfang an gewusst hatte, was für ein langer und harter Prozess es werden würde, Billy zu retten. Der Widerstand des Jugendamts gegen die Adoption hatte ihm zumindest geholfen, das zu erkennen. Über die Hälfte der Kinder, die in Billys Alter und mit einer Vorgeschichte wie der seinen adoptiert wurden, waren obdachlos, im Gefängnis oder tot, bevor sie zwanzig waren. Den Kampf um seine Seele zu gewinnen bedeutete, seine Hand zu halten, während man quälend langsam seine Dämonen entwurzelte. Es bedeutete einen jahrelangen Kampf und viele verlorene Schlachten. »Und was meinst du, was wir jetzt tun sollen?«, fragte er.
    Billy zuckte mit den Achseln, doch er musterte weiterhin Clevengers Gesicht.
    »Du denkst, das sei meine Aufgabe«, sagte Clevenger, mehr zu sich selbst als zu Billy
    Billy wandte sich ab und starrte durch die Windschutzscheibe.
    Clevenger folgte seinem Beispiel. »Da ist die Standardreaktion: ›Du hast Stubenarrest‹«, sagte er. »Was hier nicht funktionieren würde, wenn du mich fragst. Ich denke, es würde dir gefallen, einen Monat lang mit deinen Gewichten und deiner Stereoanlage im Loft zu hocken und gelegentlich ein Mädchen einzuschmuggeln.« Er machte eine Pause. »Dann gibt es die andere Reaktion, die ungefähr lautet: ›Ich schmeiß dich raus, und du sitzt ganz auf dich allein gestellt auf der Straße, wenn du nicht umgehend eins von diesen Dreißig-Tage-Entzugsprogrammen mitmachst.‹ Und die Überlegung dahinter ist gar nicht mal falsch. Der Ansatz, dass man in der Liebe manchmal grausam sein muss, kann funktionieren. Aber bei jemandem wie dir ist er nicht ungefährlich. Du bist so unglücklich über dich selbst und mit dir selbst, du würdest dich vielleicht auf der Straße ganz zu Hause fühlen. Du würdest vielleicht

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