Psychopath
und wurde von jener seltsamen Mischung aus Zorn und Frustration und Traurigkeit übermannt, die nur Billy Bishop in ihm wachrufen konnte.
»Gern geschehen.« Sie legte auf.
Clevenger wählte die Nummer seines Loft, doch es meldete sich niemand. Er rief auf Billys Handy an, bekam aber nur die schroffe Botschaft seiner Mailbox zu hören: »Ihr wisst ja, was ihr tun müsst«, und dann den Piepton. Er legte auf, wählte abermals die Nummer vom Handy, hörte abermals die Botschaft. »Verflucht noch mal«, sagte er laut und unterbrach die Verbindung. Er warf das Telefon auf den Beifahrersitz und fuhr nach Hause.
6
Billy Bishop saß auf der Hantelbank, die er in seinem Zimmer in Clevengers Loft aufgestellt hatte, ließ sich von den Doors beschallen und starrte aus imposanten Bogenfenstern auf die Skyline von Boston, die jenseits der Fitzgerald-Werft flirrte.
Das Zimmer war leer, abgesehen von der Hantelbank, einer schlichten Kommode, seinem Bett und den Teilen einer Stereoanlage, die er entlang einer Wand aufgestapelt und mit einem Gewirr von Kabeln angeschlossen hatte. Poster von den Rockgruppen Puddle of Mud, Pearl Jam und den Grateful Dead hingen an den Wänden.
Er hatte gerade sechs Wiederholungen mit neunzig Kilo geschafft. Sein Körper war aufgeputscht, und die Gedanken rasten durch seinen Kopf.
Er war äußerst zufrieden mit sich. Er war zu der Werft gegangen, hatte mit Peter Fitzgerald gesprochen und einen Job ergattert, den er bereits am nächsten Tag beginnen konnte.Klar, die ganze Sache war ein Gefallen für Clevenger, aber er hatte es wenigstens nicht vermasselt. Er hatte den Deal bekräftigt. War doch auch was wert, oder? Und es war sogar eine ziemlich coole Sache. Er würde lernen, wie man Schleppermotoren repariert. Er würde mit den Typen abhängen, die auf den Dingern fuhren. Und er würde anfangs zehn Dollar bar auf die Kralle kriegen, was ein Taschengeld war, aber tausendmal besser als Gemeindedienst gratis. Dekan Walsh und seine hochnäsige Sekretärin und Scott Dillard und der Rest von Auden Prep konnten zur Hölle fahren, dieser Haufen von beschissenen Heuchlern.
Dillard und seine großspurigen Freunde mochten es einfach nicht, wenn ihnen jemand die Scheiße aus dem Leib prügelte. Viel mehr war an der Sache nicht dran, was ziemlich komisch war, bedachte man, dass sie beide Schlägereien vom Zaun gebrochen hatten – Dillard, indem er allen möglichen Mist über Billys Frisur und seinen Nasenring geschwafelt hatte, und dann seine Kumpel, die sich für die Prügel rächen wollten, die er hatte einstecken müssen.
Nach Billys Ansicht fing man besser nichts an, wenn man es nicht auch zu Ende bringen konnte. Und wenn doch, dann biss man die Zähne zusammen und steckte ein, was ausgeteilt wurde.
Aber nicht Dillard und seine kleinen Freunde. Die hatten ihn verpfiffen.
Billy stand auf und stellte sich vor den Spiegel über seiner Kommode. Sein Rumpf sah aus wie der Panzer eines Gladiators – makellos modellierte Brustmuskeln, ein Waschbrettbauch, kein Gramm Fett irgendwo. Er beugte seine Arme und bewunderte, wie sich der Bizeps steinhart anspannte.
Genau das waren sie alle: Heuchler. Man musste sich nur mal vorstellen, dass Dillard ihn verpfiffen hatte, weil er Marihuana in seinem Spind hatte, wo Dillard einer seiner bestenKunden gewesen war. Der Drecksack hatte eine Unze pro Monat verkifft, bis er beschlossen hatte, Billy wegen seiner Dreadlocks das Leben schwer zu machen – zuerst waren es nur Frotzeleien, doch dann hatte er angefangen, Billy richtiggehend zu schikanieren. Biste Rastaman? Du von Jamaika, Rastaman? Also hatte Billy ihn vom Nachschub abgeschnitten. Von einem Tag auf den anderen. Nicht ein einziger Joint. Beiß nicht die Hand, die dich füttert.
Das war der wahre Grund, weshalb Dillard ihn herausgefordert hatte: Er gierte nach seinem Spliff und kriegte es nicht.
Billy beugte sich dichter an den Spiegel und inspizierte seinen Nasenring, vergewisserte sich, dass das Piercing auch gut verheilte. Dann trat er zurück und setzte sich wieder auf das Ende der Hantelbank. Er verschränkte seine Finger hinter seinem Kopf, ließ seine Schultern erst links, dann rechts kreisen, streckte seine Muskeln vor dem nächsten Durchgang.
Dass Walsh ihn wegen einer Tüte Gras rausgeworfen hatte, war überhaupt der größte Witz. Glaubte denn wirklich jemand, dass sich der Dekan nicht jeden Abend, wenn er zu seiner Einmeterfünfzigfrau mit den dicken Beinen und dem grellroten
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