Psychopath
seine Dreadlocks aus dem Gesicht und sah zu ihm hoch. In seinen Augen loderte das Feuer seiner Erregung. »Ich dachte mir, ich kann in meiner Freizeit ein bisschen mithelfen.«
»Mithelfen ...«
»Ein paar Reporter haben mich auf der Werft aufgespürt«, berichtete er, und seine Worte überschlugen sich förmlich. »Ich hab ihnen gesagt, ich hätte nichts zu sagen. Dann bin ich losgegangen und hab mir ‘ne Times besorgt. Ich weiß, dass du den Fall übernimmst. Wie könntest du es ablehnen?« Er zwinkerte. »Da sind übrigens gut zwanzig Nachrichten von Reportern auf dem Anrufbeantworter.«
Clevenger schaute abermals auf die Artikel. Sie stammten aus Zeitungen aus dem ganzen Land.
»Ich hab hier alles, was über den Typ geschrieben wurde«, sagte Billy »Alles vom Oregonian bis zur Washington Post.«
Eins hatte Clevenger nicht erwartet, nämlich dass Billy, statt ihm seine Verwicklung in den Highwaykiller-Fall übel zu nehmen, selbst Interesse daran zeigen würde. Doch es ergab einen Sinn. Das umwälzendste Erlebnis in seinem Leben war der Mord an seiner kleinen Schwester gewesen. Und vor jener Tragödie hatte sein brutaler Adoptivvater ihn wieder und wieder misshandelt. Wurden Menschenleben ausgelöscht, ließ ihn das zwangsläufig nicht unberührt.
Clevenger setzte sich an den Kopf des Tisches. »Ich halte das für keine gute Idee«, sagte er. »Du musst dich darauf konzentrieren, sauber zu bleiben, und dich auf die Rückkehr zur Schule vorbereiten.«
»Ich konnte ja nicht gut auf der Werft bleiben, mit all diesen Fernsehcrews um mich herum. Mr. Fitzgerald hat gesagt, ich soll den Tag freinehmen.«
»Das verstehe ich«, sagte Clevenger. »Und ich sehe, dass du mir helfen möchtest.« Er atmete tief durch und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, damit er sie überzeugend würde vermitteln können. »Aber ich weiß auch, was du in deinem Leben durchgemacht hast. Und ich denke, du musst erst ein stärkeres Fundament aufbauen, bevor du dich in so etwas verwickeln lässt.«
»Ich bin nicht verwickelt. Ich will nur ...«
»Ich will nicht, dass du dich von dieser Sache vereinnahmen lässt.«
Billy starrte Clevenger einen Moment lang an. Dann legte er seinen Kopf in den Nacken und blickte an die Decke. »Schon klar«, sagte er. »Du hast Angst, wenn ich mich mit all diesen Sachen beschäftige, könnte es mich vielleicht zu sehr beschäftigen.«
»Ich denke, es könnte eine Menge Zeit verschlingen«, sagte Clevenger. »Ich denke, es könnte dich ablenken. Und ich halte es für eine ziemlich deprimierende Sache, wenn du es genau wissen willst. Blanke Negativität, und die brauchst du im Moment in deinem Leben wirklich nicht.«
Billy sah ihn auf jene durchdringende Weise an, mit der seine emotionale Intelligenz sein Gegenüber manchmal wie ein Radargerät durchleuchtete. »Eigentlich meinst du, dass ich besessen davon werden könnte. Dass ich vielleichtsogar auf den falschen Weg gerate und wie er ende. Als Mörder.«
»Das denke ich ganz und gar nicht«, entgegnete Clevenger automatisch. Aber stimmte das? War es nicht möglich, dass sich Billy durch den Sog der Dunkelheit schließlich ganz in seinen eigenen Schatten verlor? »Du hast in deinem Leben gute und schlechte Dinge getan, Billy. Die Schlägereien in Auden liegen gerade mal einen Monat hinter uns. Du bist erst seit ein paar Wochen clean. Ich halte es für einen Fehler, dich so intensiv mit Gewalt zu beschäftigen. Mehr nicht.«
»Kein Problem«, erwiderte Billy tonlos. Er zuckte mit den Achseln und klappte die Bücher zu. »Du kannst dir die Sachen hier ja angucken, wenn du Lust hast. Ich hab ‘ne Weile gebraucht, um das alles zu finden.« Seine Oberlippe begann zu zittern. »Einiges habe ich aus dem Web, aber den Rest musste ich mir von Mikrofiches in der Bibliothek beschaffen.« Er stand auf und ging zu seinem Zimmer.
»Warte«, rief Clevenger ihm hinterher. Er wollte irgendetwas sagen, um Billys Bemühungen insoweit zu würdigen, als sie tatsächlich ein Versuch waren zu helfen – ihm entgegenzukommen. »Ich weiß wirklich zu schätzen, was du ...«
»Klar doch«, sagte Billy, ohne sich umzudrehen. Er ging in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Clevenger stand auf und ging auf Billys Zimmer zu. Als er nur noch ein, zwei Schritte von der Tür entfernt war, öffnete sie sich.
Billy stand in der Tür und starrte auf den Boden. »Können wir es einfach gut sein lassen?«, bat er. »Kannst du mich wenigstens so weit respektieren, dass du
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