Psychopath
Eltern seiner Verlobten Naomi geschrieben hatte, um ihnen zu danken, dass sie sie auf die Welt gebracht hatten.
Der getippte Brief lautete:
Dr. Clevenger,
ich missbillige zutiefst, dass Sie mit dem FBI zusammenarbeiten, so verständlich und vorhersehbarjener erste Impuls Ihrerseits auch sein mag. Ich habe Ihnen als Bruder die Hand gereicht. Ich glaube, Sie besitzen die Fähigkeit, mir zu helfen, meiner Gewalttätigkeit ein Ende zu setzen. Ihr durch meine Festnahme ein Ende setzen zu wollen ist eine Verschwendung unserer wertvollen Zeit und Energie. Sollen sich die Kleingeister mit solcher Narretei beschäftigen.
Haben Sie Dr. McCormicks Veröffentlichungen gelesen? Es sind die Veröffentlichungen eines Jägers, nicht eines Heilers. Eines Spürhundes für die Regierung. Sie versteht nicht, anders als Alexander Solschenizyn, dass »die Grenze zwischen Gut und Böse quer durch das Herz des Menschen verläuft«. Selbst ihr eigenes Herz.
Der Versuch, mich einzusperren, mich vielleicht sogar hinzurichten, mich meines gottgegebenen Rechts zu berauben, das Böse in mir zu besiegen, erzürnt dieses Böse nur noch mehr. Kann man es denn einem Löwen übel nehmen, wenn er sich auf jenen stürzt, der ihn durch sein Zielfernrohr ins Visier genommen hat?
Stellen Sie sich vor, wie verletzt, sogar missbraucht Sie oder Dr. McCormick sich fühlen würden, wenn ich es darauf abgesehen hätte, Ihre Reise zur Heilung gewaltsam zu beenden.
Ein Mann Gottes
Den sie den Highwaykiller nennen
PS:
Bitte leiten Sie die Karte und die Glasfigur an die Eltern von Dr. Naomi Caldwell in Trout Creek, Michigan, weiter. Ihr Schwiegersohn in spe Doug Holt hat das Schneckenhaus zu Ehren ihrer Tochter gemacht. Er wollte, dass sie es bekommen. Und ich möchte das auch.
Naomi sollte den Leichnam ihres Verlobten erhalten.* Seine Seele lebt in mir.
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* Michigan, Route 17 East, eine Meile hinter der Abfahrt von der Route 45 North
Das Team der Abteilung für Verhaltensforschung traf sich mit Clevenger im Konferenzzimmer.
»Das ist eine offene Drohung«, sagte Bob White vom Criminal Investigative Analysis Program und sah ihn über den Konferenztisch hinweg an. »Wir sollten diese ganze Idee mit der öffentlichen Psychotherapie noch einmal überdenken. Er macht uns rundheraus klar, dass das Risiko zu hoch ist.«
Kane Warner nickte.
Clevenger beugte sich in seinem Stuhl vor. »Mir gefällt es auch nicht, dass er jemandem droht«, sagte er. »Aber es könnte sich als Gewinn erweisen statt als Verlust.«
»Als Gewinn?«, fragte Warner.
»Wir haben sein Muster gestört, ohne eine einzige Antwort in der Times veröffentlicht zu haben«, erklärte Clevenger. »Bis jetzt hat er Jagd auf Fremde gemacht, hat wahllos getötet. Wenn er wirklich anfängt, sich so nah heranzupirschen und mich oder Whitney aufs Korn zu nehmen, dann können wir ihn vielleicht früher schnappen, als ich gedacht hatte.«
»Er ist unsichtbar«, entgegnete White. »Dass er nah herankommt – selbst nah genug, um einen von Ihnen beiden zu töten –, bedeutet nicht, dass er uns vor die Flinte läuft. Er kann wieder zurück auf den Highway verschwinden, berühmter und berüchtigter denn je zuvor.«
»Dorothy?«, sagte Kane Warner und sah zu Dorothy Campbell, die das P ROFILER -System leitete.
»Es stimmt durchaus, dass die Chancen auf eine Festnahme steigen, wenn man mit dem Täter in Kontakt bleibt«, erklärte sie. »Das hat sich in allen Fällen, von Serienmördern über Geiselnehmer bis zum Unabomber, gezeigt. Es hätte sich auch in Waco bewahrheitet. Das Problem hier ist, dass wir es mit jemandem von überdurchschnittlicher Intelligenz zu tun haben, der offenkundig mit unserer Arbeitsweise vertraut ist und – zumindest was Whitney angeht – weiß, wer wir sind.«
»Es ist ja nicht gerade so, als hätte er einen Kode knacken müssen«, wandte McCormick ein. »Die Telefonzentrale gibt jedem meinen Namen. Mein Foto ist auf der FBI-Website.«
»Ich will nur auf eins hinaus«, erklärte Campbell McCormick sehr ruhig, »es besteht die Gefahr, dass er uns manipuliert – Sie eingeschlossen.«
»Mit welcher Absicht, Dorothy?«, wollte Kane Warner wissen.
»Um uns aus der Reserve zu locken«, antwortete sie. »Um zu erreichen, dass sich das FBI mit ihm einlässt, wobei es – wie Bob bereits angedeutet hat – möglicherweise seine einzige Absicht ist, sich in Szene zu setzen, sich einen Namen zu machen. Der Brief an die Times passt da
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