Psychopathen
Empathiemotor sogar besser als mit zweien. Das ist eine der Ursachen dafür, dass sie so hervorragende Verführersind. Wenn man weiß, wo die Knöpfe sind und beim Drücken die Wärme nicht spürt, dann ist es durchaus möglich, dass man den Jackpot gewinnt.
Die Unterscheidung zwischen den beiden Arten der Empathie ist zweifellos auch Musik in den Ohren von Robin Dunbar. Manchmal, wenn er sich nicht gerade mit den Berserkern beschäftigt, ist er im Aufenthaltsraum des Magdalen College anzutreffen. Eines Nachmittags sitzen wir bei Tee und Gebäck in einer mit Eichenholz getäfelten Nische mit Blick auf die Kreuzgänge und ich erzähle ihm von den Straßenbahnen und von den Unterschieden, die sie bei der Gehirnfunktion eines Psychopathen und eines normalen Menschen verursachen. Dunbar ist nicht im Geringsten überrascht.
»Die Wikinger hatten damals die Dinge ziemlich gut im Griff«, sagt er. »Und die Berserker haben natürlich nichts getan, was den Ruf zerstört hätte, dass man sich besser nicht mit ihnen anlegt. Ihre Rolle war die, skrupelloser, kaltblütiger und wilder als der durchschnittliche Wikinger-Soldat zu sein, weil sie genau das auch waren! Sie waren skrupelloser, kaltblütiger und wilder als der durchschnittliche Wikinger-Soldat. Wenn Sie einen Berserker an einen Gehirnscanner angeschlossen und mit dem Straßenbahn-Dilemma konfrontiert hätten, dann wäre meiner Ansicht nach ziemlich sicher, was Sie da gesehen hätten. Nämlich genau dasselbe wie bei einem Psychopathen. Nichts. Und mit dem fetten Typen wäre es vorbei gewesen!«
Ich bestreiche mir einen Teekuchen mit Butter.
»Ich glaube, jede Gesellschaft braucht Leute, die die Drecksarbeit für sie leisten«, fährt er fort. »Leute, die keine Angst davor haben, harte Entscheidungen zu treffen. Unangenehme Fragen zu stellen. Sich in die Schusslinie zu begeben. Und solche Menschen gehören nicht zwingend zu denen, mit denen Sie gern Ihren Nachmittagstee trinken würden. Möchten Sie noch ein Gurkensandwich?«
Daniel Bartels von der Columbia University und David Pizarro von der Cornell University stimmen dieser Ansicht vollund ganz zu – und verfügen über entsprechendes Belegmaterial. 7 Studien haben gezeigt, dass rund 90 Prozent der Menschen sich weigern, den Fremden von der Brücke zu stoßen, obwohl sie wissen, dass fünf andere Menschenleben gerettet werden, wenn sie nur ihre moralische Zimperlichkeit überwinden könnten. Allerdings bleiben dann natürlich immer noch zehn Prozent: eine Minderheit mit einer geringer ausgeprägten moralischen Hygiene, die, wenn es hart auf hart kommt, kaum oder überhaupt keine Gewissensbisse hat, ein Menschenleben zu opfern. Aber wer ist diese skrupellose Minderheit? Wer sind diese zehn Prozent?
Um dies herauszufinden, konfrontierten Bartels und Pizarro mehr als 200 Studenten mit dem Straßenbahn-Dilemma und ließen sie auf einer Vier-Punkte-Skala anzeigen, wie stark sie dazu neigten, den fetten Typen von der Brücke zu stoßen – wie »utilitaristisch« sie waren. Darüber hinaus mussten die Studenten auch auf eine Reihe von Persönlichkeitsitems reagieren, die die Forscher speziell für den Zweck entworfen hatten, latent vorhandene psychopathische Merkmale zu messen. Hierzu gehörten Aussagen wie »Ich sehe gern Faustkämpfe« und »Die beste Art, mit Menschen umzugehen, ist die, ihnen zu sagen, was sie hören wollen« (Zustimmung/Nichtzustimmung auf einer Skala von eins bis zehn).
Könnten die beiden Konstrukte – Psychopathie und Utilitarismus – möglicherweise miteinander verbunden sein?, fragten sich Bartels und Pizarro. Die Antwort war ein entschiedenes Ja. Ihre Analyse deckte einen signifikanten Zusammenhang zwischen einer utilitaristischen Herangehensweise an das Straßenbahn-Dilemma (Stoß den fetten Mann von der Brücke) und einem überwiegend psychopathischen Persönlichkeitsstil auf. Was Robin Dunbars Prognose bestätigt, angesichts der traditionellen Ansicht über Utilitarismus jedoch ein wenig problematisch ist.
Im Großen und Ganzen gelten Jeremy Bentham und John Stuart Mill, die beiden britischen Philosophen des 19. Jahrhunderts, die die Theorie des Utilitarismus formalisiert haben, als gute Menschen. »Das größte Glück der größten Zahl istdie Grundlage von Moral und Gesetzgebung«, lautet einer von Benthams berühmten Aussprüchen.
Bohrt man jedoch ein bisschen tiefer, wird es komplizierter und erscheint nicht mehr ganz so klar und heiter. Es gibt da eine skrupellose
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