Psychopathen
sieht es mit der Weltraumfahrt aus? Bedenkt man den Ruf von Psychopathen hier auf Erden, dann erfüllt einen der Gedanke, sie bei teuren Unternehmungen in den Kosmos zu katapultieren, nicht gerade mit Zuversicht. Psychopathische Merkmale, so könnte man meinen, gehören doch wohl sicher nicht zu den wichtigsten Eigenschaften bei den ungeheuer exklusiven Auswahlkriterien der NASA für Astronauten. Doch auch hierzu habe ich einmal eine Geschichte gehört, die verdeutlicht, dass gewisse Muster, wie sie Robert Hare bei seinen Gehirnscans fand, tatsächlich von Vorteil sein können: 12 Dass die Fokussiertheit und die emotionale Distanz eines Neurochirurgen wie James Geragthy nicht nur der Schlüssel zur Größe im Sitzungssaal, bei Gericht oder im Operationssaal sein können, sondern auch in einer völlig anderen Welt.
Die Geschichte geht so: Als Neil Armstrong und sein Partner Buzz Aldrin am 20. Juli 1969 auf der Suche nach einem Landeplatz über die Mondlandschaft flogen, hätten sie beinahe eine Bruchlandung hingelegt. Das Problem war die Geologie. Es gab einfach zu viel davon. Und zu wenig Treibstoff. Überall lagen Gesteins- und Felsbrocken herum, die eine sichere Landungunmöglich machten. Aldrin wischte sich den Schweiß von der Stirn. Mit einem Auge auf der Tankuhr und dem anderen auf dem Terrain forderte er Armstrong ultimativ auf: Bring das Ding runter – und zwar schnell!
Armstrong war eindeutig phlegmatischer. Wer weiß, vielleicht hatte er noch nie etwas für nervöse Beifahrer übrig gehabt. Doch die Zeit lief davon, der Treibstoff wurde knapper und knapper, die Aussicht auf einen Tod durch Schwerkraft wuchs. Kaltblütig entwickelte er einen Plan. Aldrin sollte den Treibstoff, den sie noch übrig hatten, in Sekunden umrechnen. Und anfangen, zu zählen. Laut.
Aldrin tat, wie ihm geheißen wurde.
Siebzig ... sechzig ... fünfzig ...
Während Aldrin zählte, musterte Armstrong die unerbittliche Topografie des Mondes.
Vierzig ... dreißig ... zwanzig ...
Die Landschaft gab keinen Deut nach.
Es blieben noch zehn Sekunden. Da entdeckte Armstrong seine Chance: eine silberne Oase des Nichts direkt unterhalb des Horizonts. Wie bei einem Raubtier, das seiner Beute dicht auf den Fersen ist, verengte sich plötzlich kaum merklich der Wahrnehmungskorridor seines Gehirns. Ohne jede Nervosität, so als wäre das Ganze nur eine Trockenübung, manövrierte er das Fahrzeug in die Richtung dieser Landezone und führte in der meilenweit einzigen freien Lichtung die perfekte lehrbuchmäßige Landung aus. Ein großer Schritt für die Menschheit. Der jedoch beinahe völlig in die Hose gegangen wäre.
Wie Bombenräumexperten ticken
Dieser Bericht über eine unfassbare interplanetarische Unbekümmertheit steht für ein Leben an den Horizonten des Möglichen, wo die Trennlinie zwischen Triumph und Katastrophe sehr fein ist und der grenzüberschreitende Verkehr frei fließt.Dieses Mal wurde das Unheil abgewendet. Dank seiner Kaltblütigkeit bewahrte Neil Armstrong eine der größten Unternehmungen in der Geschichte der Menschheit davor, in einer kosmologischen Katastrophe zu enden.
Aber das ist noch nicht alles. Wie sich zeigte, war seine Herzfrequenz bei diesem Manöver kaum erhöht.
Eine kardiovaskuläre Anomalie? Laut der Wissenschaft nicht. In den 1980er-Jahren stellte der Harvard-Forscher Stanley Rachman etwas Ähnliches bei Bombenräumexperten fest. 13 Was, wollte Rachman wissen, trennte in diesem hochriskanten Job die Spreu vom Weizen? Alle Bombenräumer sind gut. Ansonsten wären sie tot. Aber hatten die Stars unter ihnen etwas, das den anderen fehlte?
Um dies herauszufinden, teilte er erfahrene Bombenräumer, die zehn oder mehr Jahre in diesem Job tätig waren, in zwei Gruppen auf: diejenigen, die für ihre Arbeit ausgezeichnet worden waren, und die, bei denen dies nicht der Fall war. Dann verglich er ihre Herzfrequenz im praktischen Einsatz bei Aufgaben, die besonders viel Konzentration erforderten.
Die Herzfrequenz blieb bei allen Bombenräumern stabil. Aber bei denjenigen, die sich ganz besonders hervorgetan hatten, geschah etwas schier Unglaubliches. Ihre Herzfrequenz verlangsamte sich sogar. Sobald sie die Gefahrenzone betraten (oder die »Startrampe«, wie einer von ihnen es formulierte), verfielen sie in einen Zustand kalter, meditativer Aufmerksamkeit: eine Bewusstseinsebene, auf der sie mit dem Gegenstand, an dem sie arbeiteten, quasi eins wurden. Nachfolgende Analysen brachten den Grund für diesen
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