Psychopathen
Selektivität und heimtückische moralische Strömungswirbel. Mit dem Gestalten dieser Gesetze und dieser Moral wird man unweigerlich um des »Gemeinwohls« willen, einer Gruppe von Menschen auf die Füße treten, die in der Minderheit sind.
Doch wer hat den Mut, abzudrücken? Bartels und Pizarro mögen im Labor durchaus ein Muster gefunden haben. Aber wie sieht es im Alltagsleben aus? Zeigt der Psychopath erst dort, wozu er fähig ist?
Die dunkle Seite der Mondlandung
Die Frage, was nötig ist, um in einem bestimmten Beruf erfolgreich zu sein und den mit ihm verbundenen Erwartungen gerecht zu werden, lässt sich relativ leicht beantworten. Neben den Fertigkeiten, die man braucht, um ganz bestimmte Aufgaben zu erfüllen, gibt es im Rechtswesen, im Geschäftsleben, ja in jedem Betätigungsfeld eine Auswahl von Merkmalen, die Spitzenleistungen garantieren.
2005 führten Belinda Board und Katarina Fritzon von der University of Surrey eine Studie durch, um herauszufinden, wodurch sich Wirtschaftsführer auszeichnen, welche die wichtigsten Facetten der Persönlichkeit sind, durch die sich Passagiere der Business-Class von denen der Economy-Class unterscheiden. 8 Sie verglichen das Abschneiden von drei Gruppen – Managern, Psychiatriepatienten und hospitalisierten Kriminellen (sowohl psychopathischen als auch solchen, die unter anderen psychischen Erkrankungen litten) bei einem psychologischen Persönlichkeitstest.
Ihre Analyse zeigte, dass einige psychopathische Merkmale beiWirtschaftsführern verbreiteter waren als bei sogenannten »verhaltensgestörten« Kriminellen – Merkmale wie oberflächlicher Charme, Egozentrik, Überredungskunst, fehlende Empathie, Unabhängigkeit und Zielgerichtetheit. Der Hauptunterschied zwischen den Gruppen bestand in den eher antisozialen Aspekten des Syndroms: Die Regler der Kriminellen waren, was Gesetzesbrüche und physische Aggression angeht, höher eingestellt.
Andere Studien scheinen das Bild vom »Mischpult« zu bestätigen: dass die Grenzlinie zwischen funktionaler und dysfunktionaler Psychopathie nicht vom Vorhandensein psychopathischer Merkmale per se abhängt, sondern vielmehr von ihrer Ausprägung und der Art ihrer Kombination. Mehmet Mahmut und seine Kollegen von der Macquarie University haben vor Kurzem aufgezeigt, dass die Muster von Hirnfunktionsstörungen (vor allem in Bezug auf den orbitofrontalen Kortex, die Gehirnregion, die den Input von Emotionen bei der Entscheidungsfindung regelt) bei kriminellen und nicht kriminellen Psychopathen eher auf graduelle als auf klar trennende Unterschiede hinweisen. 9 Das bedeutet, so Mahmut, dass die beiden Gruppen nicht als qualitativ unterschiedliche Populationen betrachtet werden sollten, sondern dass sie lediglich unterschiedliche Positionen im selben neuropsychologischen Kontinuum einnehmen.
Ich selbst habe im Rahmen einer (nicht ganz so hochtechnologischen) Studie einen Kurs mit Erstsemestern gebeten, sich vorzustellen, sie seien Mitarbeiter in einem Arbeitsvermittlungsunternehmen. 10 »Skrupellos, unerschrocken, charmant, amoralisch und fokussiert«, sagte ich ihnen. »Angenommen, Sie hätten einen Kunden mit dieser Art von Profil. Für welchen Tätigkeitsbereich wäre er Ihrer Meinung nach geeignet?«
Die Antworten waren sehr aufschlussreich: CEO, Spion, Chirurg, Politiker, das Militär ... sie alle tauchten in diesem Mix auf. Zusammen mit Serienkillern, Attentätern und Bankräubern. Wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.
»Intellektuelle Fähigkeiten allein sind nichts weiter als eine elegante Art, als Zweiter ins Ziel zu kommen«, erzählte mirein erfolgreicher CEO. »Der Weg nach oben ist hart. Nicht umsonst spricht man von einer Ochsentour. Doch es lässt sich leichter klettern, wenn man andere als Steigbügelhalter benutzt. Und noch leichter, wenn sie denken, dass dabei etwas für
sie
herausspringt.«
Jon Moulton, einer von Londons erfolgreichsten Risikokapitalgebern, teilt diese Ansicht. 11 In einem Interview mit der ›Financial Times‹ führte er Entschlossenheit, Neugier und Gefühllosigkeit als seine drei wertvollsten Charaktereigenschaften auf. Die ersten beiden sind nicht weiter verwunderlich. Aber Gefühllosigkeit? »Das Großartige an der Gefühllosigkeit«, erklärt Moulton, »ist, dass sie dich schlafen lässt, wenn andere nicht schlafen können.«
Der Gedanke, dass psychopathische Merkmale in der irdischen Geschäftswelt hilfreich sind, überrascht sicher nicht allzu sehr. Aber wie
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