Psychopathen
gut einstecken – wenn das Schicksal sich wendet und sie sich in der Schusslinie befinden. Und diese mentale Härte, diese unschätzbare Gleichgültigkeit angesichts der Schicksalsschläge des Lebens ist etwas, das vielleicht uns allen auf die eine oder andere Weise guttun würde.
James Rilling, außerordentlicher Professor für Anthropologie an der Emory University, hat dies im Labor demonstriert und im Rahmen eines Gefangenendilemma-Experiments wie dem in Kapitel 3 beschriebenen ein merkwürdiges Paradoxon in Bezug auf Psychopathen entdeckt. 136 Wie nicht anders zuerwarten, zeigten die Psychopathen bei diesem Experiment eine verstärkte Neigung zur »Defektion«, zur Ablehnung von Kooperation, was wiederum dazu führte, dass ihre Gegenspieler (entsprechend der Dynamik des »Kooperierens und Defektierens«) mehr Streitlust und Aggression an den Tag legten.
Doch die Sache ist die. Psychopathen lassen sich einfach nicht so leicht aus der Ruhe bringen, wenn das Blatt sich wendet. Kam es zu Rückschlägen, d. h. zu Situationen, in denen die Kooperationsbereitschaft der Probanden mit hohen Psychopathiewerten nicht erwidert wurde, entdeckten Rilling und seine Mitarbeiter etwas Interessantes in deren Gehirnen. Verglichen mit den »netteren«, faireren Probanden war die Aktivität in der Amygdala der Psychopathen stark reduziert: ein eingetragenes neuronales Warenzeichen für »die andere Wange hinhalten« ... das sich manchmal auf sehr ungewöhnliche Weise manifestieren kann.
»Als Jugendliche hatten wir einen Wettbewerb«, schaltet Jamie sich ein. »Sehen, wer am häufigsten an einem Abend eine Abfuhr bekommt. Von Mädchen, weißt du – obwohl wir, wenn der alte Birdseye dabei gewesen wäre, die Spielregeln ein bisschen hätten abändern müssen.«
Larry sieht mich verlegen an.
»Und derjenige, dem das, bis es wieder hell wurde, am häufigsten passiert war, würde beim nächsten Mal alles spendiert bekommen.
Natürlich hast du dann versucht, so viele wie möglich zusammenzukriegen. Dich besaufen können, wenn deine Kumpels dir alles bezahlen? Besser geht’s nicht. Aber das Komische war: Sobald du ein paar getrunken hattest, wurde die Sache wirklich schwieriger. Sobald du merkst, dass ja eigentlich alles egal ist, fängst du an, großspurig zu werden. Du fängst an, rumzuprahlen. Und einige von den Vögelchen fangen an, dich für den großen Macker zu halten!«
Zeig, dass dich die Abfuhr nicht juckt, und schon hast du den Schlamassel.
Furchtlosigkeit
Jamie und seine Kumpel sind nicht die ersten, die die Verbindung zwischen Furchtlosigkeit und mentaler Härte ziehen.
So haben Lee Crust und Richard Keegan von der University of Lincoln aufgezeigt, dass die Mehrheit der risikobereiten Menschen bei Tests, in denen es um die allgemeine »mentale Härte« geht, eine höhere Punktzahl erzielen als risikoscheue Menschen – wobei Punkte auf der Subskala Herausforderung/Offenheit für Erfahrung der größte Prädiktor für
physische
Risikobereitschaft und Punkte auf der Subskala Selbstvertrauen der größte Prädiktor für
psychische
Risikobereitschaft sind. 137 Und von beidem haben Psychopathen mehr als genug.
Erinnern Sie sich an die Worte von Andy McNab im vorangehenden Kapitel? Du weißt, dass es sehr gut möglich ist, dass du bei einer Mission dein Leben verlierst; du weißt, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass du von feindlichen Truppen gefangen genommen wirst; du weißt, dass es durchaus passieren kann, dass du und dein Fallschirm von turmhohen Wellen in irgendeinem schäumenden fremden Ozean verschluckt werden. Aber »Scheiß drauf«. Du machst weiter. Denn das bringt das Kriegshandwerk nun einmal mit sich.
Dass Mitglieder von Spezialeinheiten furchtlos und mental hart sind (und das in einem psychopathischen Ausmaß, wie die Ergebnisse derjenigen zeigen, die ich getestet habe), steht außer Zweifel. Tatsächlich halten die Ausbilder während des bestialischen Auswahlverfahrens (das sich über einen Zeitraum von neun Monaten erstreckt und das nur eine Handvoll Kandidaten bestehen) nach genau diesen Eigenschaften Ausschau – wie einige der Albträume belegen, die man dort durchleben muss.
Das folgende Beispiel, das mir einer von denjenigen erzählte, die sich durchgesetzt hatten, bietet einen guten Einblick in die Art von mentaler Härte, die die Spreu vom Weizen trennt, und veranschaulicht die Denkweise, ja die außergewöhnliche psychische Verfassung derer, die sich letztlich behaupten.
»Es ist nicht
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