Psychopathen
die Gewalt, die dich fertig macht«, erklärt er. »Es ist die Androhung von Gewalt. Der Gedanke – der sich wie ein Krebsgeschwür in deinem Kopf ausbreitet –, dass etwas Schreckliches passieren wird. Und das sehr bald.«
Dann beschreibt er eine Situation im Detail – mit dem Ergebnis, dass ich nie wieder einen Auspuff reparieren werde:
»In diesem Stadium ist der Kandidat normalerweise erschöpft ... Das Letzte, was er dann sieht, bevor wir ihm die Kapuze über den Kopf ziehen, ist der zwei Tonnen schwere Truck. Wir legen den Typen auf den Boden, und während er dort liegt, hört er, wie der Truck näher kommt. Nach etwa dreißig Sekunden ist er direkt über ihm – der Motor nur Zentimeter von seinem Ohr entfernt. Wir lassen den Motor ordentlich aufheulen, und dann springt der Fahrer raus. Er knallt die Tür zu und geht weg. Der Motor läuft noch. Kurz danach fragt jemand von irgendwo in der Ferne, ob die Handbremse angezogen ist. Daraufhin rollt ein Teammitglied – das, ohne dass der Typ mit der Kapuze es wusste, die ganze Zeit da gewesen ist – sanft einen Ersatzreifen über dessen Schläfe. Mit der Hand. Nach und nach erhöht es den Druck. Ein anderes Teammitglied dreht den Motor des Trucks ein bisschen hoch, damit man den Eindruck gewinnt, der Truck würde sich bewegen. Nach wenigen Sekunden nehmen wir den Reifen weg und entfernen die Kapuze. Dann gehen wir auf den Typen los ... Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Leute an diesem Punkt das Handtuch werfen.«
Ich erzähle den Jungs – Danny, Larry, Jamie und Leslie – von der Situation, in der ich selbst eine kleine Kostprobe von der Härte des SAS-Auswahlverfahrens bekam, und zwar während der Aufnahmen zu einem TV-Pilotfilm. Während ich gefesselt am Boden einer kalten, schwach beleuchteten Lagerhalle lag, beobachtete ich – starr vor Entsetzen –, wie ein Gabelstapler eine Palette mit Eisenbeton ein paar Meter über meinem Kopf schweben ließ ... und sie dann herunterließ, sodass die scharfe, grobe Unterseite einen leichten Druck auf meine Brust ausübte. Sie verharrte dort zehn bis 15 Sekunden lang, bevor ich denBediener lautstark das unheimliche Quietschen der Hydraulik kommentieren hörte. »Mist, der Mechanismus klemmt. Ich kann ihn nicht bewegen ...«
Anschließend klärte man mich nach einem warmen Bad darüber auf, dass zu keinem Zeitpunkt auch nur die geringste Gefahr bestanden hatte. Tatsächlich war der »Stahlbeton« überhaupt kein Beton gewesen. Vielmehr hatte es sich um angemaltes Styropor gehandelt. Und der Mechanismus hatte gut funktioniert. Aber das wusste ich in dem Moment natürlich nicht. So wie die Kandidaten der Spezialeinheiten, die beim Auswahlverfahren große Torturen über sich ergehen lassen müssen, bestimmte Dinge auch nicht wissen. Im jeweiligen Moment sind sie für den Betroffenen entsetzlich real.
Jamie ist jedoch nicht im Geringsten beeindruckt. »Doch selbst, wenn der Mechanismus geklemmt hätte«, meint er, »heißt das noch lange nicht, dass die Gabelarme auf dich draufkrachen, oder? Es heißt nur, dass du für eine Weile dort feststeckst. Und wenn schon. Weißt du, ich hab darüber nachgedacht. Es heißt, Mut sei eine Tugend, stimmt’s?
Was aber, wenn du keinen Mut brauchst? Was dann? Was, wenn du überhaupt keine Angst hast? Wenn du keine Angst hast, brauchst du keinen Mut, um sie zu überwinden. Die Beton- und Reifenstunts hätten mir nichts ausgemacht, Kumpel. Das sind nur Psychospielchen. Aber die machen mich nicht mutig. Wie sollen sie auch, wenn mich das alles kaltlässt.
Deswegen verstehe ich das einfach nicht. Mir scheint, dass die Leute deswegen die ganze Zeit über Mut reden, weil sie glauben, Mut zu brauchen, um das Level zu erreichen, auf dem ich von Natur aus funktioniere. Du magst es als Tugend bezeichnen. Aber meiner Meinung nach ist es ein Talent, das die Natur dir mitgegeben hat. Mut ist nichts weiter als emotionales Blutdoping.«
Achtsamkeit
Einem psychopathischen Glatzkopf von 1,88 Meter auf einem Sofa gegenüberzusitzen, während er einen ziemlich großen psychischen Magneten an der Seite deines moralischen Kompasses anbringt, ist nicht gerade angenehm. Natürlich bin ich mir der Überzeugungskünste der Psychopathen bewusst, glaube aber dennoch, dass Jamie nicht ganz unrecht hat. Möglicherweise tun Psychopathen das, was »Helden« gegen die gedämpften synaptischen Schreie fest verdrahteter Überlebensinstinkte unternehmen, einfach im Stillen – ohne auch nur ins Schwitzen zu
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