Psychopathen
Routine-Asbestmessung vorgenommen. Und was hat sich herausgestellt? Der Wert ist so hoch, dass Tschernobyl dagegen ein Kurort ist. Du musst sofort mit dem Besitzer Kontakt aufnehmen. Eine bauliche Bestandsaufnahme ist erforderlich. Und jeder, der derzeit hier lebt, muss das Haus verlassen, bis die Gemeinde Entwarnung geben kann.
Damit dürfte es klappen. Mit ein bisschen Glück ist der Wichser sofort zur Tür heraus, bevor du sagen kannst: ›Langsamer, qualvoller Tod durch Lungenkrebs.‹ Natürlich könntestdu auch einfach die Schlösser auswechseln, wenn der Typ gerade in seiner Stammkneipe hockt. Das wäre ziemlich lustig. Aber das Problem ist dann: Du hast immer noch sein ganzes Zeugs im Haus. Was wohl okay ist, wenn du einen Flohmarkt planst. Ich meine, du könntest sogar noch ein paar Pfund mit dem Zeug dieses Vollidioten verdienen und damit die Kosten für die Schlösser decken.
Ich persönlich würde mich jedoch für die Lösung Gesundheit und Sicherheit entscheiden. Ha, wohl eher List und Sicherheit! Ich schätze, dadurch würdest du den Typen endgültig los. Und außerdem würde er denken, dass du ihm einen Gefallen tust.«
Jamies elegante, wenn auch ziemlich unorthodoxe Lösung für Dons und Frans Mieterproblem wäre mir nie eingefallen. Doch zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass es dafür einen sehr guten Grund gab. Ich bin kein skrupelloser Psychopath! Der Gedanke, den Typen so schnell aus dem Haus zu kriegen, dass er obdachlos war und auf der Straße leben musste, war mir einfach nicht in den Sinn gekommen. Und auch nicht der Gedanke, all seine Habe zu verkaufen, um mich für das Vergnügen bezahlen zu lassen, ihn aus dem Haus auszuschließen. Und doch gibt es, wie Jamie nicht ganz zu Unrecht meinte, Zeiten im Leben, in denen man sich für die »beste aller schlechten Möglichkeiten« entscheiden muss. In denen man nachtreten muss, um das gewünschte oder das beste Ergebnis zu erzielen.
Aber das ist noch nicht alles. Interessanterweise argumentiert er, dass es die richtige, ja eine aus objektiver Sicht moralische Vorgehensweise ist.
»Warum den Mistkerl nicht rauswerfen?«, fragt er. »Ich meine, denk mal drüber nach. Du redest davon, ›das Richtige zu tun‹. Aber was ist aus moralischer Sicht schlimmer? Jemanden fertig zu machen, der es verdient? Oder dich selbst fertig zu machen, ohne dass du es verdienst? Als Boxer tust du alles in deiner Macht Stehende, um den anderen so schnell wie möglich k. o. zu schlagen, stimmt’s? Warum also sind die Leute bereit,Skrupellosigkeit im Sport zu akzeptieren, aber nicht im Alltagsleben? Wo ist der Unterschied?
Bei vielen Leuten besteht das Problem darin, dass das, was sie für eine Tugend halten, in Wirklichkeit ein Laster ist. Es ist leicht, sich einzureden, man sei vernünftig und zivilisiert, wenn man in Wirklichkeit nachgiebig und schwach ist, oder?
Gute Menschen schlafen nachts nur deshalb friedlich in ihren Betten, hat George Orwell mal gesagt, weil harte Männer bereit sind, für sie Gewalt auszuüben.«
Vielleicht könnten wir also alle eine Art Weckruf gebrauchen, wenn man einem der gefährlichsten Psychopathen der Welt Glauben schenken kann.
Charme und Fokussiertheit
Jamies Lösung für das Mieterproblem von Don und Fran zeugt zweifellos von Skrupellosigkeit. Doch wie Dannys anfängliche Aussage – »Ich nehme an, wir sprechen hier nicht von Gewalt, oder?« –, deutlich zeigt, muss die Skrupellosigkeit nicht offenkundig sein. Je raffinierter sie verpackt wird, je kreativer die Geschichte, desto größer sind die Chancen, straffrei davonzukommen. Der kompromisslose Eigennutz wird oft äußerst geschickt hinter einem undurchsichtigen, verwirrenden Charme verborgen.
Dass Psychopathen großen Charme besitzen, ist weithin bekannt. Und die Fähigkeit, sich zu fokussieren und »die Arbeit zu erledigen«. Das ist natürlich eine machtvolle Kombination.
Leslie hat sich zu uns gesellt und eine sehr anschauliche Beschreibung von Charme parat: »Die Fähigkeit, für Leute, die du nicht ausstehen kannst, einen roten Teppich auszurollen, um sie so problemlos und effizient wie möglich in die von dir gewünschte Richtung zu lenken.«
Mit seinen makellos frisierten blonden Locken und seiner geschliffenen Ausdrucksweise erweckt Larry den Eindruck, alsspräche aus ihm der Fachmann. »Die Leute sind so nett, wie du es willst«, verkündet er. »Was dir natürlich eine Menge Macht über sie verleiht.«
Leslie hat auch eine interessante Ansicht zum
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