Psychopathen
elektrisches Ensemble, eine chemische Konfiguration, verursacht durch Gedanken in Ihrem Kopf, die wie Wolken kommen und gehen.
Wenn Sie sich also dazu durchringen können, diese Tatsache zu akzeptieren, Ihre innere virtuelle Realität unvoreingenommen zu betrachten, die Wolken vorbeiziehen zu lassen, damit ihre Schatten andernorts fallen, und sich stattdessen nur auf das konzentrieren, was unmittelbar um Sie herum geschieht – auf jede einzelne Sekunde und jedes einzelne Geräusch in Ihrer Umgebung, jeden Sinneseindruck –, dann dürfte sich Ihr Zustand im Lauf der Zeit verbessern.‹«
Handeln
Das pragmatische Befürworten der Prinzipien und Praktiken der Achtsamkeit, das wir bei Jamie und den Jungs erlebt haben – wenn auch nicht unbedingt der Art von Achtsamkeit, die ein angesehener Professor aus Oxford rühmt –, ist typisch für Psychopathen. Die gierige Neigung, im Augenblick zu leben, »das Morgen abzuschütteln und das Heute mit auf eine Vergnügungsfahrt zu nehmen« (wie Larry es formuliert), ist bekannt – und kann zeitweise (abgesehen von den therapeutischen Auswirkungen) erstaunlich nützlich sein.
Man braucht nur an die Finanzwelt zu denken. Don Novick war 16 Jahre lang als Börsenhändler tätig und hat in dieser Zeit keinen einzigen Cent verloren. Zufällig ist er auch ein Psychopath. Inzwischen ist Novick mit nur 46 Jahren im Ruhestand, lebt zurückgezogen im schottischen Hochland, füllt seinen Weinkeller und sammelt alte Uhren.
Ich nenne Don einen Psychopathen, weil er sich selbst so bezeichnet. Zumindest tat er das bei unserer ersten Begegnung. Um sicherzugehen, beschloss ich, ein paar Tests durchzuführen. Die Ergebnisse waren positiv.
In einem der Salons seines abgelegenen, aus der Zeit Jakobs I. stammenden Schlosses – die Auffahrt ist so lang, dass ein paar Tankstellen keine schlechte Idee wären – stelle ich Don sozusagen die Million-Dollar-Frage. Was genau macht einen erfolgreichen Börsenhändler aus? 139 Mich interessiert nicht so sehr der Unterschied zwischen gut und schlecht, betone ich. Eher zwischen gut und wirklich gut.
Don nennt zwar keine Namen, zögert aber nicht, die Frage objektiv zu beantworten. Von einem analytischen Standpunkt aus.
»Einer der größten Unterschiede zwischen guten und wirklich guten Händlern zeigt sich meiner Meinung nach darin, wie sie drauf sind, wenn das Spiel vorbei ist, wenn die Börse schließt und sie Feierabend machen«, erklärt er mir. »Der Börsenhandelist ein Job, der einen völlig kaputtmachen kann, wenn man auch nur im Geringsten mental verwundbar ist. Ich habe Händler am Ende einer harten Sitzung weinen oder sich übergeben sehen. Der Druck, das Umfeld, die Leute ... das ist alles ziemlich brutal.
Doch wenn die Jungs, die es bis ganz nach oben geschafft haben, am Ende des Tages aus der Tür hinausgehen, dann weißt du einfach nicht, was mit ihnen los ist. Du siehst ihnen nicht an, ob sie ein paar Milliarden gemacht haben oder ob ihr gesamter Bestand gerade den Bach runtergegangen ist.
Und genau das ist es, kurz gesagt. Genau das macht einen guten Händler aus. Bei diesem Job darfst du es auf keinen Fall zulassen, dass irgendein Mitglied des emotionalen Leitungsgremiums von deinem Gehirn an die Tür des Sitzungssaals klopft, in dem die Entscheidungen getroffen werden, geschweige denn, sich am Konferenzstisch niederlässt. Du musst unbarmherzig und ohne Reue auf den gegenwärtigen Moment fokussiert bleiben. Du darfst nicht zulassen, dass das, was gestern geschehen ist, Einfluss darauf hat, was heute passiert. Wenn du das tust, wirst du im Handumdrehen untergehen. Wenn du zu emotionalem Katzenjammer neigst, überlebst du keine zwei Sekunden auf dem Börsenparkett.«
Dons Ausführungen, die auf sechzehn Jahren Erfahrung auf diesem Parkett basieren, erinnern stark an die im Labor gewonnenen Ergebnisse der »Glücksspielstudie« von Baba Shiv, Antoine Bechara und George Loewenstein. Logisch betrachtet war es natürlich richtig, in jeder Runde zu investieren. Doch im Lauf des Spiels zogen einige der Probanden es schließlich vor, ihre Gewinne zurückzuhalten. Sie begannen mit anderen Worten, »in der Vergangenheit zu leben« – und erlaubten es den Mitgliedern des emotionalen Leitungsgremiums in ihrem Gehirn, an die Tür des Sitzungssaals zu klopfen, wie Don es formuliert hat.
Ein schlechter Schachzug.
Andere Probanden lebten jedoch weiterhin in der Gegenwart– und konnten bei Abschluss der Studie eine ziemlich gesunde
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