Psychose: Thriller (German Edition)
Rezeptionistin, stand vor seiner Tür.
»Einen Moment!«, rief er, zog sich die Hose an und taumelte zur Tür. Er schloss auf, zog den Riegel zurück und öffnete.
»Ja?«, fragte Ethan.
»Sie müssen bis elf Uhr ausgecheckt haben.«
»Tut mir leid, ich …«
»Wollten Sie nicht ›gleich morgen früh‹ zum Sheriff?«
»Mir war nicht klar …«
»Haben Sie Ihre Brieftasche schon zurück?«
»Nein, ich bin gerade erst aufgewacht. Ist es wirklich schon nach zwölf?«
Sie antwortete nicht und starrte ihn nur finster an.
»Ich werde sofort zum Büro des Sheriffs gehen«, sagte er, »und sobald ich meine Sachen …«
»Sie müssen mir den Schlüssel zurückgeben und das Zimmer verlassen.«
»Aus welchem Grund?«
»Verlassen Sie das Zimmer. Verschwinden Sie. Ich mag es nicht, ausgenutzt zu werden, Mr. Burke.«
»Niemand nutzt Sie aus.«
»Ich warte.«
Ethan sah ihr ins Gesicht und suchte nach irgendetwas, einer weichen Stelle, einem Wanken ihrer Entschlossenheit, doch er konnte nicht den leisesten Hauch von Mitgefühl entdecken.
»Ich muss mich eben anziehen.« Er wollte die Tür schließen, aber sie schob ihren Fuß in den Türspalt.
»Ach, Sie wollen mir zusehen? Wirklich?« Er ging wieder ins Zimmer. »Okay. Genießen Sie die Show.«
Und das tat sie auch. Sie stand im Türrahmen und beobachtete, wie er sich die Schuhe zuband, sein fleckiges weißes Oberhemd zuknöpfte und sich zwei quälende Minuten lang mit dem Binden seiner Krawatte abmühte.
Als er endlich die Arme in sein schwarzes Jackett geschoben hatte, nahm er den Zimmerschlüssel vom Nachttisch und ließ ihn beim Verlassen des Zimmers in ihre ausgestreckte Hand fallen.
»In zwei Stunden werden Sie sich deswegen ziemlich mies fühlen«, sagte er und ging durch den Korridor zur Treppe.
Im Drugstore an der Ecke Main und Sixth Street nahm Ethan eine Flasche Aspirin vom Regal und ging damit zur Kasse.
»Ich kann das nicht bezahlen«, sagte er und stellte die Flasche auf den Tresen. »Aber ich verspreche, dass ich in dreißig Minuten mit meiner Brieftasche wieder zurück sein werde. Es ist einelange Geschichte, aber ich habe höllische Kopfschmerzen und muss dringend etwas dagegen nehmen.«
Der mit einer weißen Jacke bekleidete Apotheker war gerade damit beschäftigt gewesen, ein Rezept einzulösen und Tabletten auf einem Plastiktablett abzuzählen. Er senkte den Kopf und blickte Ethan über den Rand seiner eckigen Brille mit Silberrahmen an.
»Worum genau bitten Sie mich gerade?«
Der Mann mit dem zurückweichenden Haaransatz war Ende vierzig, blass, dünn und hatte große braune Augen, die durch seine dicken Brillengläser sogar noch größer wirkten.
»Mir zu helfen. Mir … Mir geht’s wirklich nicht gut.«
»Dann gehen Sie ins Krankenhaus. Das hier ist eine Apotheke, kein Pfandhaus.«
Für den Bruchteil einer Sekunde sah Ethan alles doppelt und er spürte ein schreckliches Pochen im Nacken, das sich schmerzhaft in seiner Wirbelsäule fortsetzte.
Er wusste nicht mehr, wie er den Drugstore verlassen hatte.
Das Nächste, was er begriff, war, dass er über den Bürgersteig die Main Street entlangtaumelte.
Er fühlte sich von Minute zu Minute schlechter und überlegte, ob er zurück zum Krankenhaus gehen sollte, doch das wollte er eigentlich vermeiden. Er brauchte einfach ein paar Schmerztabletten, damit er wieder klar denken konnte.
An der nächsten Kreuzung blieb Ethan stehen. Er versuchte, sich zu orientieren und den richtigen Weg zum Büro des Sheriffs zu finden, als es ihm auf einmal einfiel. Er steckte die Hand in die Innentasche seiner Jacke, zog ein Stück Papier heraus und faltete es auseinander.
604 1ST AVE
Er überlegte. Sollte er wirklich zu dieser völlig Fremden gehen und um Tabletten bitten? Es widerstrebte ihm, zurück ins Krankenhaus zu gehen, und mit diesen heftigen Kopfschmerzenkonnte er auch nicht im Büro des Sheriffs aufkreuzen. Schließlich hatte er vor, dort auf den Tisch zu hauen, und das lief im Allgemeinen besser, wenn man nicht das Verlangen verspürte, sich in einem dunklen Zimmer wie ein Embryo zusammenzurollen.
Wie hieß sie doch gleich?
Ach ja: Beverly.
Vermutlich hatte sie am Vorabend bleiben müssen, bis die Kneipe schloss, daher standen die Chancen gut, dass sie jetzt zu Hause war. Außerdem hatte sie es ihm ja auch angeboten. Er konnte vorbeigehen, sich einige Tabletten geben lassen und seine Kopfschmerzen in den Griff bekommen, bevor er den Sheriff aufsuchte.
Er überquerte die
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