Psychose: Thriller (German Edition)
schnüffelte.
Ethan rutschte aus der Öffnung nach hinten, bewegte sich so weit wie möglich in den Alkoven hinein, wo er sich hinkauerte, die Arme um die Beine schlang, um zitternd zu lauschen, ob er Schritte oder herabfallende Steine hörte.
Aber da war nichts als das Säuseln des Flusses, und als er es endlich wieder wagte, einen Blick nach draußen zu werfen, war das, was immer er da gesehen hatte, fort.
In den wenigen Stunden vor Tagesanbruch konnte er nicht mehr schlafen.
Es war zu kalt.
Er hatte zu große Schmerzen.
Und zu große Angst, dass er alles, was er erlebt hatte, erneut in seinen Träumen durchstehen musste.
Er lag auf dem Steinboden und hatte nur noch einen Wunsch. Ein Verlangen.
Theresa.
Zu Hause war er oft mitten in der Nacht aufgewacht, um zu spüren, wie sie einen Arm um ihn legte oder ihren Körper an ihn schmiegte. Selbst in den schlimmsten Nächten hatte das gereicht. In den Nächten, in denen er spät nach Hause gekommen war. In denen sie sich gestritten hatten. In denen er sie betrogen hatte. Sie hatte zu ihrer Beziehung so viel mehr beigetragen als er. Sie liebte ihn im Übermaß. Ohne zu zaudern. Ohne Hintergedanken. Bedingungslos. Während er seine Probleme mit sich herumtrug und einen Teil von sich vorenthielt, gab sie alles. Immer.
Es gibt Augenblicke, in denen man die Menschen, die man liebt, so sieht, wie sie wirklich sind, ohne irgendwelche Projektionen oder Gedanken an die Vergangenheit. Wenn man sie mit anderen Augen sieht, wie ein Fremder, und sich an das Gefühl erinnert, als man sich seiner Liebe für sie zum ersten Mal bewusst wurde. Vor den Tränen und den Verletzungen. Als die Chance auf Perfektion noch bestand.
Er hatte noch nie ein klareres Bild von seiner Frau gehabt und sie noch nie mehr geliebt, nicht einmal am Anfang, als er es in diesem Moment an diesem kalten, dunklen Ort tat, während er sich vorstellte, in ihren Armen zu liegen.
Er beobachtete, wie die Sterne verblassten und die Sonne den Himmel erhellte, und als sie endlich über die Berge kam und auf das Flussufer fiel, genoss er die wunderbare Wärme der Sonnenstrahlen, die in seinen Alkoven drangen und den eiskalten Stein erhitzten.
Nun konnte er endlich erkennen, welche Schäden er bei seiner Flucht aus Wayward Pines davongetragen hatte.
Seine Arme und Beine waren von blauen Flecken und schwarzgelben Hämatomen bedeckt.
Auf seiner linken Schulter sowie an der rechten Seite waren die Einstiche von Schwester Pams Spritze zu erkennen.
Er wickelte das Klebeband von seinem linken Bein und legte die Stelle frei, an der Beverly den Mikrochip herausgeholt hatte. Der Druckverband hatte die Blutung gestillt, aber die Haut rings um den Einschnitt war noch immer feuerrot. Um die Infektion abzuwehren, würde er Antibiotika brauchen und die Wunde musste genäht werden.
Er strich sich mit den Händen über das Gesicht und fand, dass es sich anders anfühlte als früher. Die Haut war geschwollen, an einigen Stellen aufgeplatzt, seine Nase war in den letzten vierundzwanzig Stunden zweimal gebrochen worden und fühlte sich erschreckend weich an. Auf seinen Wangen hatte er unzählige kleine Schnitte, wo ihm beim Rennen durch den Wald Äste ins Gesicht gepeitscht waren, und am Hinterkopf wuchs eine dicke Beule, die er einem dieser mit Steinen bewaffneten Kinder verdankte.
Doch nichts davon war so schlimm wie der Schmerz in seinen Beinmuskeln, die er bis über die Grenze ihrer Belastbarkeit hinaus beansprucht hatte.
Er wusste nicht einmal, ob er überhaupt laufen konnte.
Als seine Kleidung am Vormittag halbwegs trocken war, zog sich Ethan an, schnürte seine immer noch feuchten Schuhe zu und ließ sich vom Rand des Alkovens vorsichtig auf den Steinboden darunter herab.
Beim Abstieg zum Fluss bekam er einen brutalen Vorgeschmack auf das, was ihn den restlichen Tag erwartete, und als er am Wasser angekommen war, protestierten seine Muskeln bereits lautstark.
Er musste sich erst einmal ausruhen, und so schloss er die Augen und hielt das Gesicht in das warme Sonnenlicht. Aus diesem Winkel schien es herrlich konzentriert auf ihn herab.
Es roch nach getrockneten Piniennadeln, die in der Sonne brutzelten.
Nach süßem, kaltem Wasser.
Er hörte das Tosen des Wassers, das die Schlucht hinunterfloss.
Das Klackern der Steine, die von der Strömung mitgerissen wurden.
Der Himmel war strahlend blau.
Die Wärme hob seine Stimmung und die Wildnis um ihn herum schien etwas, das tief in seiner Seele vergraben war,
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