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Psychotherapeuten im Visier

Psychotherapeuten im Visier

Titel: Psychotherapeuten im Visier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Reiners
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Lehnt dieses den Ankauf ab, kann es der Mitarbeiter am freien Markt anbieten. So ist die rechtliche Situation. Nur: Welches Unternehmen wird so dumm sein, einen hoffnungsvollen Mitarbeiter derart zu verprellen, dass es die Übernahme einer vielversprechenden Idee ablehnt? Das Unternehmen wird vielmehr alles daransetzen, das Patentverfahren einzuleiten, und dem Mitarbeiter ein besonders attraktives Angebot machen, das ihn an den zu erwarteten Gewinnen angemessen beteiligt. Dieses Beispiel illustriert die unterschiedlichen Haltungen gegenüber Innovationen, Erfindungen und Forschungsergebnissen. Starre Strukturen aufseiten der universitären Forschung und konstruktive Dynamik in der Wirtschaft, wenn es um Patente geht – sie sind häufig die Grundlage großer wirtschaftlicher Erfolge, wie Prozac und Viagra belegen.
    In allen relevanten Bereichen gesellschaftlichen Lebens hat sich zumindest in der westlichen Welt, also außerhalb von politischen Diktaturen, die Erkenntnis durchgesetzt, dass hierarchische Prinzipien überall dort ihre Grenzen haben sollten, wo sie der Sache nicht dienlich sind: in Unternehmen – also dem Schwungrad einer jeden Volkswirtschaft – , in fortschrittlichen Forschungseinrichtungen wie in Amerika, in der zweitbesten Regierungsform, der Demokratie, wie Churchill es formuliert hat, oder in Non-Profit-Organisationen, die sich allein der Sache und im besten Falle der Menschheit verschrieben haben. Der gelegentliche Missbrauch dieser privilegierten Vorsätze – Beispiel UNICEF – spricht nicht gegen das Prinzip. Das Korrektiv verhängnisvoll-starrer Strukturen in der Politik sind freie Wahlen – ein nahezu paradiesischer Zustand im Vergleich zur
Forschungsszene, in der die Fachfürsten so lange als unantastbar gelten, wie sie keine falsche Fahrtkostenabrechnung einreichen oder Daten zum eigenen Vorteil manipulieren.
    Oder liegt das Dilemma daran, dass die Psychiatrie und die Psychologie, wenn es um das Krankheitsbild Depression geht, sich bisher gar nicht den zuschreibenden Begriff der wissenschaftlichen Disziplin erarbeitet und verdient haben?
    Alle Beiträge in diesem Buch sind das Ergebnis ganz persönlicher Beobachtungen und Erfahrungen. Das wäre für den Buchtitel »Therapeuten im Visier« schon ein ausreichender Fundus. Aber diese »Datenbasis« kann ich – mehr traurig als beglückt – durch Hunderte von Briefen, Mails und Anrufen für mich als zusätzlich sicheres und tragfähiges Fundament betrachten. Ich schreibe nicht als Einzelkämpfer für eine bessere Welt der Patienten im Umgang mit Therapeuten, ich bin vielmehr immer wieder gebeten worden, ihr Sprachrohr zu sein – und je mehr Betroffene sich in Zukunft zusätzlich diesem Selbstverständnis anschließen, desto willkommener ist mir eine solche gedankliche und emotionale Unterstützung.
    Ich beobachte das Verhalten von Therapeuten seit vielen Jahren. Einige Marotten innerhalb der Zunft kann ich auch heute noch mit Humor nehmen, andere sind so grotesk, dass sie mir Angst machen. Bedrückend ist auch, wie wenig disziplinenübergreifend die fachlichen Diskussionen geführt werden – wenn sie denn überhaupt stattfinden. Dass Grundlagenforscher und Anwender mit Forschungsinteresse unterschiedliche Wege gehen, ist vollkommen verständlich. Dass sich aber die angewandte Forschung häufig nur in dem Rahmen bewegt, der sich einer gewissen therapeutischen Schule zuordnen lässt, ist der Sache nicht dienlich. Die Tatsache, dass es Universitätsprofessoren und Chefärzte der Psychiatrie
gibt, die sich der Forschung verschrieben haben und rühmen, das Burn-out-Syndrom leugnen zu müssen und die Krankheitssymptome allein der Depression zurechnen, wirft ein dunkles Licht auf die Zerrissenheit innerhalb der Therapeutenschaft und lässt mich an der Ernsthaftigkeit eines zielorientierten fachlichen Austausches im Sinne der Patienten zweifeln. Forscher sollten über Inhalte streiten und die Ergebnisse öffentlich machen, nicht aber ihre persönlichen Einschätzungen zum Nachteil der Patienten aussprechen – schon gar nicht, wenn diese genau von diesem Burn-out betroffen sind. Taktlosigkeit, Rücksichtslosigkeit? Meine Materialsammlung ist voll davon. Im Umgang mit Psychiatern und Psychologen hätte ich mir anderes gewünscht – Fairness, Menschlichkeit, wissenschaftliche Offenheit und vor allem: forscherische Neugier.
    Ich maße mir nicht an, der angewandten Forschung bahnbrechende Impulse geben zu können, aber in den vielen Gesprächen,

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