Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
Vom Netzwerk:
Dadurch wird die Beziehung noch angespannter, noch instabiler: «Wenn du aufhörst, tun wir alles!» Aber auch angedrohte Strafen – sture Kontrolle, Androhen von Konsequenzen, ohne sie durchzuführen – ändern umgekehrt nichts an Beatrices Verhalten.
Pubertierende wollen etwas leisten, sie wollen mithelfen. Beatrice hat zeitlebens erfahren: «Dafür bist du noch zu klein!» Der Leitsatz für eine stabile Erziehungsbeziehung kann auch Leitsatz für Suchtprävention sein: fördern statt verwöhnen! Fördern bedeutet, Erfolgserlebnisse zu schaffen, selbstbestimmte Leistungen zu erbringen, unabhängig zu werden. Dies schafft Glücksgefühle, ermöglicht eine intensive Selbstwahrnehmung.Das Glück ist eine selbstproduzierte Droge und kann immun gegen fremdbestimmte Drogen machen.
Botschaften, die Heranwachsende senden, sind zu deuten, ohne in Panik zu verfallen, zu dramatisieren. Vielmehr gilt es, gesprächsbereit zu sein. Beatrice sagt: «Mein Vater drohte, nur mit mir zu reden, wenn ich ihm versprach, nichts zu nehmen. Ansonsten bräuchte ich gar nicht mehr zu kommen!» Gute oder böse Worte helfen in dieser Situation nicht. Schon gar nicht, wenn es sich um Hilferufe der Kinder handelt. Dann hilft Zuwendung mit liebevoller Konsequenz und Klarheit.
    Die sollen es besser haben
    Tim, 18   Jahre, ist über den Alkohol in die Drogenszene gerutscht. Er ist eher schüchtern, zurückgezogen, hat Kontaktschwierigkeiten. Dieses wurde durch die häufigen Umzüge der Eltern noch verschärft. Tim ist äußerlich eher klein, er neigt zum Stottern, vor allem, wenn er nervös ist. Nur wenn er ein paar Biere getrunken hat, wird er ruhiger, fühlt sich stark. Er achtet sehr auf sein Aussehen, körperbetonte Kleidung, geht ins Fitnessstudio, weil er bei Freunden gut ankommen will. Besucht das Gymnasium, zeichnet sich durch gute Leistungen aus, die er durch viel Fleiß erreicht.
    Der Vater: «Tim macht das gut. Er soll es besser haben als ich. Was er jetzt lernt, braucht er später nicht zu lernen. O.   k., er macht’s, wie gesagt, schon gut, aber zu viel Lob baut ihn nicht auf. Dann macht er schlapp. Er muss schon eine starke Hand spüren!»
    Dazu Tim: «Wenn ich das höre. Er will doch nur mit mir angeben. Wenn ich in Mathe eine Drei habe, meint er, im letzten Jahr hätte ich eine Zwei gehabt. Der sieht immer nur das Schlechte.Er stellt sich auf ein Podest, hält sich für den Größten und hält Reden. Ich heiße Tim, aber der hat meinen Vornamen vergessen. Ich heiße für ihn: Mein Sohn ist etwas Besonderes!»
    Und dann fährt Tim fort: «Mit Alkohol lässt sich alles aushalten. Im Suff bring ich ihn um. Das gefällt den Kumpels, wenn ich das erzähle. Zuletzt gab’s den Mix, Medikamente, Hasch, vor allem Hasch, aber auch schon Heroin   … Es war leicht, da ranzukommen, denn ich hab mir das Geld verdient oder von meiner Mutter geschnorrt. Ich habe mich gut gefühlt, als ich das genommen habe. Alles war toll. Nun denk ich mir schon häufig, wie kommst du heute an den Stoff.»
     
    Auch hierzu einige Anmerkungen, um problematische Rahmenbedingungen herauszustreichen:
Die Störung des Selbstwertgefühls ist hier ein wesentlicher Faktor. Sucht kann man als eine Krankheit des Selbstwertgefühls bezeichnen. Hinzu kommt Tims starke Abhängigkeit von ständiger Anerkennung. Die leiseste Kritik erzeugt bei ihm Ohnmacht und Hilflosigkeit.
Bei Tim herrscht das Gefühl der Fremdbestimmung vor. Er soll Leistungen erbringen, um vorgeführt bzw. für eine imaginäre Zukunft fit gemacht zu werden. Weil er keine Annahme im Hier und Jetzt findet, fehlt ihm eine konkrete Lebensperspektive. Alles erscheint ihm weit weg.
Wie Beatrice hat auch Tim keine Fähigkeit, mit Krisen produktiv umzugehen. Er kann Unlustgefühle nicht über längere Zeit aushalten. Und bei Tim zeigt sich: Ein guter Schulabschluss ist eben kein Garant für eine Karriere. Dies spürt er. Tim wird ein Umgang mit Krisen nicht gestattet. Da ihm solche Erfolgserlebnisse vorenthalten werden, verlegt er sie in den Konsum, der als Ersatz für fehlende Beziehungen, als «Lösung» für Krisen dient.
Drogen fördern Vermeidungsverhalten. Sie legen Fluchttendenzennahe. Der Drogenkonsum wird immer dann gefährlich, wenn ihm eine Ersatz- und Verdrängungsfunktion zukommt, wenn Sucht mit Flucht aus der Wirklichkeit gleichgesetzt werden kann.
     
    Bei der Drogenvorbeugung sollten Eltern einige Grundsätze beherzigen: Verzichten Sie auf Schuldzuweisungen. Verfallen Sie nicht in Aktionismus:

Weitere Kostenlose Bücher