Pubertät – Loslassen und Haltgeben
durch verbale Aggressivität und Brutalität gegen Sachen auf sich aufmerksam.
Zudem ist die Gewalt vielfältiger, komplexer geworden: Sie reicht von sprachlichen Aggressionen (Spotten, Beschimpfen, Auslachen, erniedrigende Ausdrücke etc.) über Vandalismus (auf dem Schulhof und Schulweg, den Klassenräumen und der Turnhalle, am Unterrichtsmaterial etc.), von Attacken auf Mitschüler über Gewalt gegen Lehrer, von Schulunlust, Schulverweigerung über Schulschwänzen, von Mobbing und Bullying über ein schlechtes schulisches Klima bis hin zur «Null-Bock-Stimmung».
Hinzu tritt allerdings ein weiterer Faktor: Da wird schnell, besser: vorschnell, alles in einen Topf geworfen und ein wüster, undifferenzierter, geschmackloser Gewaltbrei gekocht. Da wird aus dem harmlosen Necken, wie es für die Beziehung unter Kindern üblich ist, schnell «Mobbing», da wird aus dem Rangeln und Raufen, aus dem natürlichen körperbetonten Kräftemessen, kurzschlüssig eine brutale Schlägerei. Nur wenn man die Kirche im Dorf lässt, nicht mit modernistischen Überhöhungen um sich schmeißt, wird man denbesorgniserregenden, weil problematischen Trends gerecht, mit denen die Gewalt an und in der Schule daherkommt.
Ich möchte das an zwei Situationen aufzeigen: der Schulverweigerung und dem Mobbing.
Bei der Schulverweigerung lässt sich zeigen: Manches wird mit der Schule in Zusammenhang gebracht, ohne dass sie der Auslöser ist. Und bezüglich des Mobbings wird klar, wie vielschichtig ein Problem angegangen werden muss, um es zu lösen, will man pädagogische Kurzschlüsse vermeiden.
Schulverweigerung
Torben, 13 Jahre, stromert seit einiger Zeit mit seinem gleichaltrigen Freund Arne während der Schulzeit durch die Straßen. Wenn sie gefragt werden, ob sie denn nicht Unterricht hätten, antworten sie: «Wir haben Projektunterricht und müssen eine Aufgabe lösen!» In der Schule haben sich beide abgemeldet: Arzttermine! Erst nach einigen Wochen fliegt alles auf, als ein Lehrer sich bei Torbens Eltern nach seiner Krankheit erkundigt.
Ulrike, 15 Jahre, lebt in einer gespannten Familienatmosphäre. Ihre Eltern wollen sich trennen, zerren momentan an der Tochter, um sie jeweils für sich zu gewinnen.
«Es hat sowieso alles keinen Sinn mehr», meint sie. «Die sind nicht wirklich an mir interessiert. Da will nur jeder gewinnen. Ich bin ihnen völlig gleichgültig. Was soll ich da noch in der Schule? Es ist sowieso alles sinnlos.»
«Die wollen nur einen guten Schüler aus mir machen!» So Björn, 16 Jahre. «Die stecken mir vorn und hinten alles rein. Nachhilfe und so. Alles. Aber ich lass sie auflaufen. Gehe nur unregelmäßig zur Schule. Schreib mir die Entschuldigung selber. Neulich sind sie mal dahintergekommen, meine Eltern. Da gab’sDruck. Aber mein Vater hielt es nur eine Woche aus. Meine Mutter wurde noch schneller weich. Ich spiele mit denen.»
Die Motive für das Schuleschwänzen sind vielfältig, und manche Handlungsweisen passen in kein Muster. Vier Grundaspekte lassen sich allerdings unterscheiden:
Das «Schwänzen» als bewusste Grenzverletzung, um auszutesten, wie weit man gehen kann. Dieses Handlungsmuster findet sich häufig in der ersten Phase der Pubertät (etwa bis zum 13. Lebensjahr) und geht nicht selten mit anderen schulbezogenen Auffälligkeiten wie Vandalismus, undisziplinierten Verhaltensweisen oder aggressiven Handlungen einher. Überreaktionen bei diesem Verhalten helfen ebenso wenig wie Verharmlosung.
Häufig hat die Schulverweigerung mit häuslichen Problemen zu tun, oder anders formuliert: Die Regelüberschreitung stellt einen unbewussten Hilferuf dar, mit dem auf eine problematische Lebenssituation aufmerksam gemacht werden soll. Dieser Schulverweigerung liegt eine krisenhafte emotionale Grundsituation zugrunde. Findet der Pubertierende dann kein Gehör, können sich die störenden Verhaltensweisen ausweiten.
Wenn sich Heranwachsende emotional vernachlässigt und Kälte in der Beziehung zu ihren Eltern fühlen, wenn sie spüren, dass sich ihre Bezugspersonen von ihnen zurückziehen, dann kann es sein, dass sie durch das Schuleschwänzen auf ihre gefühlsmäßig bedrohliche Situation aufmerksam machen.
Hinter der Schulverweigerung kann auch Versagensangst stecken. Viele Pubertierende spüren, dass sie den Erwartungen ihrer Eltern nicht entsprechen. Lösen sie diese nicht ein, erfahren sie häufig negative elterliche Sanktionen.
Das Schuleschwänzen verdeutlicht zudem einen Aspekt,
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