Pubertät – Loslassen und Haltgeben
der bei der Diskussion über Gewalt an Schulen übersehen wird: Die Zahl der Schüler und Schülerinnen, die mit nach innen gerichteten Aggressionen, die mit Kopfschmerzen, mit Magenproblemen, die mit Schwindelanfällen, mit Herzklopfen und Nervosität die Schule besuchen, übersteigt jene Schüler und Schülerinnen bei weitem, die Zielscheibe verbaler und körperlicher Gewalt werden – von jenen, die Gewalt ausüben, ganz zu schweigen.
Damit ich hier nicht missverstanden werde: Es ist nicht immer die Schule, die den Druck aufbaut und die Schüler und Schülerinnen leiden lässt. Nach innen gerichtete Aggressionen sind meistens Hilferufe, die nicht durch ein Mehr an Erziehung, durch Nachhilfe-Programme zu beheben sind, sondern nur durch eine intensive Eltern-Kind-Beziehung, in der sich die Heranwachsenden aufgehoben fühlen.
Mobbing
Ich benutze das Wort «Mobbing», obgleich es korrekter wäre, von Bullying (von bully = Opfer) zu sprechen. Da sich aber Mobbing umgangssprachlich durchgesetzt hat, bleibe ich hier bei dieser Bezeichnung.
Mobbing ist Bestandteil eines aggressiven Verhaltens, das darauf ausgerichtet ist, jemand anderen gezielt zu schädigen. Beim Mobbing spielt – das zeigen Michaela und Daniela – der soziale Zusammenhang eine ganz zentrale Rolle. Mobbing findet meist in einer stabilen Gruppe statt, die sich durch ungleiche Machtverhältnisse auszeichnet.
Der Täter oder die Täterin verfügt über physische Kräfte oder verbale Fähigkeiten, die sie in eine «Chef»- oder Bestimmer-Rolle bringen. Das Opfer kann sich dem Druck oder der Schädigung nicht entziehen, es öffnet sich nur spät anderen, um dieÜbergriffe mitzuteilen. Von Mobbing redet man, wenn die Verhaltensmuster über einen längeren Zeitraum stattfinden, sich in immer neuen quälenden Varianten wiederholen.
Um Mobbing zu unterbinden bzw. präventiv zu verhindern, sind Maßnahmen auf vier Ebenen vonnöten:
Mobbing wird unterstützt (nicht erzeugt!) durch ein unfreundliches, unsoziales Schulklima. Mobbing findet oft in wenig einsehbaren Räumen, Gängen, Fluren und Ecken statt, wo Aufsicht fehlt oder keine Verhaltensregeln festgemacht sind.
Soziale und kommunikative Fähigkeiten der Schüler und Schülerinnen vermögen Mobbing nicht zu verhindern, aber sie vermögen es zu begrenzen und schlussendlich abzubauen. Je offener das Miteinander, umso weniger gibt es Heimlichkeiten, die eine Voraussetzung für das Mobbing sind. Anders ausgedrückt: Je mehr Geheimnisse in den zwischenmenschlichen Beziehungen an einer Schule existieren, umso eher können sich Gemeinheiten, Lügen, Machtmissbrauch, Erpressung, Nötigung und fehlender Respekt breitmachen.
Mit den Tätern sind Einzelgespräche zu führen, ist auf Wiedergutmachung zu drängen. Die Einbeziehung der Eltern ist dabei unumgänglich – häufig leider auch unmöglich. Die Täter sind mit den Folgen ihres Tuns zu konfrontieren, um Schuldbewusstsein aufzubauen, ein moralisches Gewissen zu entwickeln. Übrigens: Michaela und Daniela kamen in eine Förderklasse. Nach anfänglichem Zögern gingen sie gerne dorthin, hatten eine verhaltenstherapeutische Begleitung. Zwei Jahre nach ihrer Tat machten sie einen Hauptschulabschluss und haben sich zu selbstbewussten jungen Frauen entwickelt, die in der Zwischenzeit nicht mehr verstehen, was sie getan haben. Wichtig war allerdings, dass sie sich aus der gewaltbereiten Clique, in der sie eine Zeit lang lebten, entfernten.
Beim Mobbing, wie bei anderen aggressiven Handlungen, vergisst man häufig die Opfer. Während man sich um die Täter kümmert, übersieht man die Geschädigten. Gerade beim Mobbing kommt es darauf an, dass das Opfer Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein auch körperlich ausdrückt, das Kind bzw. der Jugendliche ein Recht auf körperliche Unversehrtheit ausstrahlt – nach dem Motto: «Fass mich nicht an!» Hilfe zur Selbsthilfe ist notwendiger denn je, um den Opfern das Gefühl zu vermitteln, sich eigenständig gegen Übergriffe behaupten zu können.
Prävention und Intervention
Auch wenn die Ursachen für Gewalt an der Schule vielschichtig sind und Faktoren von außen (Familie, Medien) mit hineinspielen, so kann die Institution selbst eine Menge zur Verbesserung des Betriebsklimas und der interpersonellen Beziehung tun.
Da ist zunächst die strukturelle Ebene. Durch organisatorische Maßnahmen (wie z. B. Gestaltung der räumlichen Umgebung, das Erarbeiten von Verhaltensregeln, personale Präsenz in unbeobachteten
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