Pubertät – Loslassen und Haltgeben
verstecken.
Wichtige Grundvoraussetzung für Achtung und Respekt im Gespräch ist die Fähigkeit, zuhören zu können, ohne vorschnell zu unterbrechen oder loszupoltern. Zum Zuhören gehören Nachfragen – aber kein penetrantes Ausfragen. Wenn Heranwachsende aus der Schule kommen und gefragt werden: «Wie war’s heute in der Schule?», können Eltern nur schwerlich eine wirkliche und genaue Antwort erwarten. Der elterliche Wunsch nach Kontaktaufnahme kann anders formuliert werden, z. B. indem man über den eigenen Vormittag berichtet oder eine Zeit ausmacht, wann die Schule Thema ist.
Manche Gespräche enden in lautstarken Auseinandersetzungen. Die Gefühle gehen mit allen Beteiligten durch. Nur lassen sich im Zorn keine Konflikte lösen. Dann ist es sinnvoller, sich für eine Zeit zurückzuziehen (z. B. den Raum zu verlassen), um später – nervengestärkt – gemeinsam mit dem Pubertierenden nach Wegen der Verständigung zu suchen. Sollten im Streit unbedachte Äußerungen gefallen sein, dann zeugt es von Souveränität, sich zu entschuldigen oder vorschnell angesetzte Strafen zurückzunehmen. Und bedenken Sie: Auch Pubertierende brauchen Zeit, ehe sie sich für unbedachte Äußerungen entschuldigen können. Gleichwertigkeit im Gespräch gelingt nur auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Achtung.
14. Woher kommen die Stimmungsschwankungen?
Wenn die Hormone im Kopf Tango tanzen, sich die Gehirnsynopsen im Hip-Hop-Rhythmus bewegen, dann hat es keinen Sinn, an die Vernunft des Kindes zu appellieren. Ein Merkmaldieser Entwicklungsetappe ist, dass die Heranwachsenden in dieser Zeit häufig nicht verstanden werden wollen, weil sie sich selbst nicht verstehen, überhaupt nicht einordnen können, was mit ihnen psychisch und physisch passiert. Sie sind hin und her gerissen zwischen Erwachsen-sein- und Kind-bleiben-Wollen, zwischen unrealistischen Omnipotenzphantasien und verstandesmäßiger Durchdringung der Möglichkeit, zwischen «Halt mich!», aber auch «Lass mich bloß los!», zwischen dem Wunsch nach augenblicklicher Begleitung und dem Bedürfnis, völlig in Ruhe gelassen zu werden. Elterliche Gelassenheit ist in dieser Phase das Gebot der Stunde, eine Gelassenheit, die aber nicht mit Gleichgültigkeit und Gewährenlassen zu verwechseln ist. Mein Tipp an die Eltern: Nutzen Sie die Phasen der Ausgeglichenheit, der Ruhe, um den Kontakt zum Heranwachsenden herzustellen. Geben Sie den Kindern Nähe, wenn sie es wollen, aber versuchen Sie nicht, einen Kaktus zu umarmen, wenn er partout stechen will. Denken Sie daran: Das Verhalten des pubertierenden Kindes ist nicht der Ausdruck von Erziehungsfehlern, sondern einer Entwicklungsphase, die vorübergeht. Irgendwann – mal nach zwei, mal nach vier Jahren – wird aus dem reißenden ein gemächlich dahinfließender Strom.
LITERATUR
Claudia und David Arp:
Und plötzlich sind sie 13
, Gießen 2010
Ulla Atzert:
Homo pubertensis. Tipps zum störungsfreien Umgang mit Heranwachsenden
, Frankfurt 2007
Dieter Baacke:
Die 13- bis 1 8-Jährigen . Einführung in das Problem des Jugendalters
, Weinheim 1994
Cheryl Benard/Edit Schlaffer:
Einsame Cowboys. Jungen in der Pubertät
, München 2005
Joachim Braun:
Jungen in der Pubertät
, Reinbek 2003
Heidemarie Brosche:
Nervenprobe Pubertät
, Freiburg 2004
Katrin Busemann/Christoph Gscheidle:
Web 2.0: Communities bei jungen Nutzern beliebt
, in: Mediaperspektiven 7/2009
Karin Flaake/Vera King (Hg.):
Weibliche Adoleszenz
, Weinheim 2003
Sabine Feierabend/Albrecht Kutteroff:
Medien im Alltag Jugend licher – multimedial und multifunktional
, in: Mediaperspek tiven 12/2008
Max H. Friedrich:
Irrgarten Pubertät. Elternängste
, Wien 2003
Alexander Grob/Uta Jaschinski:
Erwachsen werden. Entwicklungs psychologie des Jugendalters
, Weinheim 2003
Hedwig Gafga/Angelika Ohland:
U 20 – Deutschland deine Tee nies
, München 2009
Gabriele Haug-Schnabel/Nicolas Schnabel:
Pubertät. Eltern-Ver antwortung und Elternglück
, Ratingen 2008
Anna-Maria Hirsch:
Wenn Kinder flügge werden. Eltern und Kinder im Ablösungsprozess
, München 1991
Willem Heuves:
Pubertät. Entwicklungen und Probleme
, Frankfurt 2010
Sybille Herold:
300 Fragen zur Pubertät
, München 2008
Gerald Hüther:
Männer. Das schwache Geschlecht und sein Gehirn
, Göttingen 2009
Klaus Hurrelmann u. a. (Hg.):
Jugendgesundheitssurvey
, Weinheim 2003
Michael Jäckel:
Was
Weitere Kostenlose Bücher