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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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selbstbewusst leben, lösen Entwicklungsaufgaben selbstverantwortlicher, mutiger und getragen von einem Urvertrauen. Weil sie durch häufige Erfolgserlebnisse ermutigt sind, scheuen sie auch vor neuen Aufgaben, ja vor Krisen nicht zurück, sondern betrachten sie als Herausforderung.

KÖRPERBEWUSSTSEIN, SELBSTVERTRAUEN UND SEXUALITÄT
    Vorpubertät oder Ruhe vor dem Sturm?
    Sigmund Freud hat den Entwicklungsabschnitt zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahr die Latenzzeit genannt – «latent» meint heimlich, verdeckt, verborgen. Die sexuelle Entwicklung, so der Psychoanalytiker, ruhe in dieser Zeit, damit das Kind andere Entwicklungsaufgaben vollziehen könne. Freud war einer der Ersten, der sich mit dieser Altersstufe genauer beschäftigt hat, die bis in die Gegenwart hinein selten Gegenstand pädagogischer oder fachwissenschaftlicher Betrachtungen war. Ganz zu Unrecht hat man diese Zeit in der Forschung vernachlässigt, denn das Schulkind macht – genau wie das Kindergartenkind oder später der oder die Pubertierende – wichtige Entwicklungen durch, die man als Gemenge aus Kontinuität und Diskontinuität, aus Fortführung und Bruch bezeichnen kann.
    Zunächst setzt sich vieles fort, was schon für das fünf- oder sechsjährige Kind Gültigkeit besaß. Jungen und Mädchen grenzen sich weiter voneinander ab. Sie beäugen sich mit Argwohn, kritisieren sich oft mehr, manchmal weniger heftig. Dieses Nichts-miteinander-zu-tun-haben-Wollen ist Ausdruck der unterschiedlichen Entwicklung, die Mädchen und Jungen zu Beginn der Schulzeit durchmachen. Mädchen sind den Jungen in feinmotorischer, in kognitiver und sprachlicher Hinsicht weit voraus. Diese Vorsprünge kompensieren Jungen durch körperliche Kraft, die hin und wieder in Brutalität umschlägt, oder durch verbale Obszönitäten. Jungen benutzen Worte, die die Mädchen verspotten, verächtlich machen, sie psychisch treffen sollen. Erst wenn diese dann in Tränen ausbrechen, sich ohnmächtig fühlen,sich wehrlos zeigen, gehen Jungen zufrieden weg und fühlen sich trotz ihrer Minderwertigkeitsgefühle stark und unantastbar.
    Doch sind emotionale Beziehungen zwischen den Geschlechtern möglich, die jedoch noch nicht erotisch gefärbt sind. Genitale Sexualität spielt keine Rolle. Man mag sich, ist verliebt, hat erste Schmetterlinge im Bauch. «Wir werden niemals auseinandergehen», so lautet die Hymne für diese zarte Pflanze, man schmiedet Zukunftspläne. Man errötet, wenn man den Freund oder die Freundin sieht, das Herz klopft. Ein Leben ohne den anderen kann man sich kaum vorstellen. Man macht sich kleine Geschenke, schickt sich eine SMS, verabredet sich.
    Doch zugleich sind diese berührenden, zu Herzen gehenden Freundschaften Zielscheibe von Spott, von Witzen. Jungen gelten als weich, als «weibisch», Mädchen werden schon mal als «Nutte», als «Hure» oder «Bumsnudel» bezeichnet.
    Das Kind in der Zwischenzeit – egal, ob Junge oder Mädchen – ist innerlich zerrissen. Es hat Abschied genommen vom Kindergarten, wo es zu den «Großen» gehörte, die durchblickten, die wussten, wo es langgeht, die auf die «kleinen Hosenscheißer» abschätzig hinunterblickten. Es geht in die Schule, in der alles anders ist, es muss wieder von vorne anfangen, sich arrangieren lernen, weil es zu den Anfängern gehört. Man ist noch nicht wirklich angekommen. Man fremdelt, ist unsicher, zögerlich, vorsichtig.
    Diese Spannung zeigt sich im Gefühlsleben – vor allem der Jungen: Mal spielen sie die «Prinz-Eisenherz-Nummer», geben sich unverwundbar, cool, tun so, als ob sie alles im Griff, keine Probleme hätten. Aber im nächsten Moment wirken sie ängstlich, verdrossen, wollen kuscheln, auf den Schoß der Mutter oder nächtens zu den Eltern ins Bett.
     
    Den Mädchen geht es nur unwesentlich anders. Da kommen sie wie «Mutter Vernünftig» daher, wirken abgeklärt, können reflektieren, durchdringen intellektuell viele Probleme, drücken sichsprachlich differenziert aus. Doch an manchen Tagen zeigen sie sich weinerlich, kleinkindhaft, verschreckt, wirken kraft- und mutlos, unselbständig – ein Mädchen, das ständig auf die Hilfe der Mutter angewiesen ist, an ihrem Rockzipfel hängt.
    Suchendes Lösen aus Familienbanden   – Freundschaft zu Gleichaltrigen
    Wenn Schulkinder sich aus dem Schoß der Familie lösen, wenn sie sich auf den Weg in die Welt machen, dann brauchen sie Geländer, einen neuen eindeutigen Bezugsrahmen, der Liebe, Halt und Festigkeiten

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