Pubertät – Loslassen und Haltgeben
meine.»
ZWEITE BETRACHTUNGSWEISE: GESPRÄCHSRUNDE MIT MÄDCHEN UND JUNGEN
«Ich denke», so die 1 4-jährige Cornelia, «ich möchte schon mal mit einem Jungen schlafen, aber ich trau mich nicht, ich trau mich nicht. Schmusen und streicheln ja, aber mehr ist nicht drin. Und Hendrik versteht das auch, der setzt mich nicht unter Druck. Das finde ich gut!»
«Ich dachte», erzählt die 1 5-jährige Ina, «mir passiert das nicht so schnell. Aber mit einem Mal war ich mit Max im Bett. Das ging alles ganz fix. Wir hatten nix dabei, kein Kondom, kein Spray, absolut nix. Hinterher haben wir beide die Panik gekriegt. Ich hab dann hinterher ausgerechnet, dass nichts passiert sein konnte, weil ich gerade meine Blutung hatte. Max hat nur blöd geguckt, wie ich da gerechnet habe. Der hatte von fruchtbaren und unfruchtbaren Tagen keine Ahnung. Der hat doch wirklich geglaubt, wenn du die Tage hast, kannst du nicht schwanger werden, und deshalb schläft man in dieser Zeit auch miteinander, wenn man keine Kinder haben will. Da hab ich ihn hinterher erst mal aufgeklärt. Spaß haben wollen, aber von nichts ’ne Ahnung haben. Manchmal sind Jungen reine Milchbubis.»
«Das ist doch zu einfach», ereifert sich Jonas. «Manchen Mädchen sieht man doch an: ‹Den will ich haben!› Und dann willst dukein Schlappschwanz sein, weil du das ja auch geil findest. Geb ich ehrlich zu. Natürlich weiß ich viel über Verhütung. Über das, was sich da bei Frauen im Körper abspielt, weiß ich nicht ganz so viel, also darüber, wann du ’n Kind machen kannst oder wann nicht. Klar bin ich aufgeklärt darüber, ’nen Gummi zu benutzen. Auch schon wegen Aids. Aber wenn du scharf bist, ist doch der Verstand im Arsch. Dann bist du doch – wie mein Vater sagt – schwanzgesteuert. Es ist wirklich so, das ist, als ob du bekifft bist und neben dir stehst. Da fällt dir die Verhütung doch erst ein, wenn du völlig platt nebeneinanderliegst. Oder dann passiert dir das andere: Du bist unsicher, völlig aufgeregt. Nicht nur du bist aufgeregt, auch deine Freundin. Das war bei mir beim ersten Mal so. Ich hatte zwar ’n Kondom dabei, hatte es meiner Mutter versprochen, aber ich krieg das Ding, nein, ich krieg erst die Verpackung vom Kondom überhaupt nicht auf. Die Hände waren schweißnass. War das ein Scheiß. Und dann, als ich das Ding endlich in der Hand hatte, kriegte ich das Ding nicht rüber, weil mein Schwanz schlapp war. In den Aufklärungsbüchern sieht das immer so glatt aus. Aber das ist reine Technik. In der Wirklichkeit, wenn du nervös bist, hast du keinen Ständer, du bist ’n armer Schniedel. Meine Freundin, die Britt, die hat mich damals getröstet, weil ich mir wie ’n Versager vorkam. Sie hat mich dann gestreichelt, ganz zärtlich, und mit einem Mal, flutsch, war ich drin, ohne Kondom. Ich hab ihn dann, bevor ich gekommen bin, rechtzeitig rausgezogen. Denk ich mir schon, das ist doch genau der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Aufklärung. Du weißt viel, aber wenn’s darauf ankommt, erlebst du Pleiten, Pech und Pannen. Aber nun fragen Sie bloß nicht, wie man uns noch besser aufklären könnte. Ich weiß es wirklich nicht! Ich glaub, die Lehrer und die Eltern, die geben sich viel Mühe. Man muss manchmal seine Erfahrungen machen. Und das ist dann nicht immer schön!»
DRITTE BETRACHTUNGSWEISE: WISSENSCHAFTLICHE ERGEBNISSE
Der Sexualpädagoge Norbert Kluge schreibt:
«Das tatsächliche Wissen der Jungen über den genauen Empfängniszeitpunkt ist besorgniserregend. Im Jahr der sexuellen Reife beantwortet ein Drittel von ihnen die Frage richtig, etwa ein Drittel falsch, und mehr als ein Drittel gibt zu, über das Konzeptionsoptimum der Frau nichts zu wissen.»
«Zwischen vermeintlichem und tatsächlichem Wissen über reproduktive Tatbestände herrscht insbesondere zum Zeitpunkt der sexuellen Reife bei den Mädchen eine bemerkenswerte Diskrepanz. Die Jungen wissen ohnehin weniger, ja zu wenig, über biologische Fakten.»
«Jungen stehen den Mädchen im generellen Verhütungsverhalten erkennbar nach. Ihre aktive Rolle müsste daher mit speziellen Maßnahmen gefördert werden.»
Betrachtet man die Gesprächsrunden und die wissenschaftlichen Befunde genauer, dann hat man eine Erklärung dafür, warum es in den letzten Jahren häufig zu frühen Schwangerschaften oder zu einem Anstieg der Abbrüche bei 15- bis 1 8-jährigen Heranwachsenden kommt.
Da ist zunächst die früher einsetzende Geschlechtsreife.
Weitere Kostenlose Bücher