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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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wohl hohe sexualerzieherische Bedeutung. Gerade weil Pubertierende sich nicht steuern können, weil zwischen früh erwachender körperlicher Reife, dem Gefühl, es kann mir nichts passieren, weil ich einzigartig und unverletzbar bin, gerade weil «der Verstand häufig im Eimer ist», wie es ein pubertierender Junge einmal ausdrückte, ist die Erziehungsverantwortung der Eltern so wichtig:
Eltern   – Mutter und Vater – müssen immer wieder auf die Verhütung zu sprechen kommen, auch wenn die Heranwachsenden großspurig tun, sie würden schon alles wissen – nach dem Motto: «Hör auf! Kenn ich doch schon alles! Seid ihr denn blöde!» Zwischen Wissen und Handeln besteht ein großer Unterschied. Zur Verhütung gehört eben nicht allein das Wissen über Pille, Kondom oder andere Mittel, zur Verhütung zählen Informationen über Regel, Eisprung und fruchtbare Tage. Jungen haben hier, wie schon angeführt, erschreckende Wissenslücken, und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sie den Geschlechtsverkehr schon länger praktizieren. Gerade männliche Pubertierende haben nicht selten einen erheblichen Nachholbedarf im Sexualwissen, der durch Gespräche unter Gleichaltrigen nicht aufgeholt wird, schon gar nicht durch jene Informationen, die in den Medien aufbereitet werden, kompensiert sind.
Sollte ein junges Mädchen schwanger werden, braucht es elterliche und professionelle, medizinische und psychologischeUnterstützung. Die schlimmste Erfahrung, die minderjährige Schwangere machen, ist das Gefühl, alleingelassen und abgeschoben zu werden. Schwangere Teenager brauchen überlegt handelnde Eltern, keine Eltern, die sich in Vorwürfen («Ich wusste, dass es so kommt!», «Was hast du mir da angetan!») oder Selbstvorwürfen («Ich habe versagt!», «Ich hätte mehr kontrollieren müssen!») ergehen. Schwangere Mädchen brauchen Halt und Geborgenheit, die Gewissheit, von ihren Eltern angenommen zu sein. Ob man sich gemeinsam für eine Fortsetzung der Schwangerschaft oder einen Abbruch entscheidet, das muss ganz individuell besprochen werden. Das hat mit materiellen, mit sozialen, aber auch mit moralischen und mit religiösen Erfahrungen zu tun. Da müssen alle Beteiligten ihren ganz individuellen Weg gehen. Nur so können sie das Kreuz tragen, in der Hoffnung, getragen zu werden. Eine physische Last, eine psychische Belastung – egal, wie man sich entscheidet – bleiben allemal. Rückblickende Vorwürfe wie: «Hätte ich doch meiner Tochter verboten, dass sie mit ihrem Freund schläft», helfen in dieser Situation wenig. Jetzt hilft nur der Blick nach vorn.
Eltern geben sich – was das sexuelle Handeln ihrer Kinder betrifft – gelassener und liberaler als alle Generationen vorher. Das ist gut so, hat es doch zu einer größeren Offenheit geführt, wenn es um das Ansprechen sexueller Themen geht. Es hat zu mehr Selbstbewusstsein beigetragen, mit der sich die Mehrheit der Jugendlichen untereinander körperlich begegnet. Eine größere Offenheit hat aber zugleich auch elterliche Verhaltensunsicherheiten mit sich gebracht. Man weiß nicht genau, was man zulassen, wann man etwas sagen kann. «Man will ja nicht so sein», hat es einmal eine Mutter ausgedrückt und hinzugefügt: «Man will nicht so sein, wie die Eltern waren!» Die Unsicherheit von Vater und Mutter korrespondiert gleichwohl mit jener der Heranwachsenden. Auch sie sind häufig unsicher, verlierensie sich doch nicht selten im Markt der Möglichkeiten: «Alles ist möglich. Doch was ist richtig für mich?»
     
    «WARUM SETZT ER KEINE GRENZE?»
    Die 1 5-jährige Tina erzählte neulich kopfschüttelnd, als sie bei mir in der Beratung saß, sie bekomme von ihrem Vater nie eine Zeit mit, wann sie am Freitagabend von der Disco zu Hause zu sein habe. Auf meine Frage, ob sie denn eine Zeit von ihm haben wolle, rief sie spontan aus: «Na klar!»
    «Warum?»
    «Erstens will ich mich mit ihm streiten, wann ich zu Hause zu sein habe, und zweitens will ich, dass er an mich denkt, wenn ich nicht da bin!»
    Als ich den Vater mit dieser Aussage konfrontiere, meint er: «Das verstehe ich nicht! Ich durfte früher in meiner Pubertät nie etwas, fühlte mich wie eingesperrt. Mein Kind, das hatte ich mir damals geschworen, soll es einmal besser haben, dachte ich mir!» Er schüttelt den Kopf. «Wie man’s macht, macht man’s verkehrt!»
    Aber genau darum geht es nicht. Hinter Sachfragen – «Wie lange darf ich heute in der Disco bleiben?», «Darf ich bei meinem Freund/​meiner

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