Pubertät – Loslassen und Haltgeben
Durchschnittlich werden die Mädchen mit knapp zwölf Jahren geschlechtsreif, können schwanger werden. Verkompliziert wird die Situation dadurch, dass es erhebliche Wissenslücken bei der Verhütung, aber auch beim Wissen über Körperfunktionen gibt. Die Mehrzahl der geschlechtsreifen Pubertierenden hält sich für umfassend informiert und angemessen aufgeklärt. Die Risiken, die ein ungeschützter Geschlechtsverkehr mit sich bringen kann, werden demgegenüber nicht wahrgenommen oder unterschätzt. Immerhin nutzen 20 Prozent der unter 1 6-jährigen Jugendlichen beim «ersten Mal» – welche subjektiven oder objektiven Begründungen dafür auch immer angeführt werden –
keine
Verhütungsmittel.Dabei findet die Kohabitarche (also das «erste Mal») lebenszeitlich früher statt. Schon manche 13- oder 1 4-jährigen Heranwachsenden haben ihre ersten Koituserfahrungen und empfinden dies als ein wichtiges und schönes Erlebnis, das nach Wiederholung drängt. Immerhin kann man beim folgenden Geschlechtsverkehr einen Trend zu einem bewussteren Verhütungsverhalten beobachten.
Die Gründe für das fehlende Problembewusstsein sind vielfältig:
Manche Mädchen und Jungen haben mit dem Geschlechtsverkehr nicht gerechnet. Er geschah spontan, aus einer Lust heraus. Lust entsteht im Bauch, der sich vom Kopf nicht bestimmen lässt. Deshalb wird man Teenager-Schwangerschaften oder Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen nicht immer verhindern können.
Es gibt mythisch-magische Erklärungen, wonach beim «ersten Mal» nichts geschehen könne. Deshalb brauche man nicht aufzupassen.
Fast die Hälfte aller 14- bis 1 7-jährigen Heranwachsenden redet nicht oder erst «hinterher» über Verhütungsfragen. Die Kommunikation zwischen den Mädchen und Jungen erweist sich als gestört, ist von Unsicherheit gekennzeichnet: Während er glaubt, sie nehme vielleicht schon die Pille, meint sie, er habe ein Kondom dabei. Diese vermeintliche Selbstsicherheit erweist sich als Trugschluss mit allen gravierenden Konsequenzen. Die fehlende Kommunikation zwischen Mädchen und Jungen ist allerdings ein Spiegelbild der Kommunikation zwischen Eltern und Kindern, genauer: zwischen Mutter und Tochter bzw. Vater und Sohn. Während die weiblichen Pubertierenden genauere Details über Verhütung wissen, sieht die Situation bei den männlichen Jugendlichen problematischer aus. Ihr Verhütungswissen stellt sich als ausgesprochen defizitär, als unterentwickelt, dar.
Dies gilt insbesondere für das Wissen über die Körperfunktionen – und betrifft nun nicht allein die Jungen. Das Wissen über Eisprung, Regel und die fruchtbaren Tage weist erhebliche Lücken auf. Mit Beginn der Menarche, der ersten Regel, und der Ejakularche, dem Zeitpunkt des ersten Samenergusses – so der schon zitierte Norbert Kluge in einer großangelegten Untersuchung über das «Sexualverhalten Jugendlicher heute» –, wissen nur ⅗ aller Mädchen und ⅟ 7 aller Jungen Bescheid über eine sichere Verhütung. Selbst fünf Jahre nach dem ersten Samenerguss ist bei 50 Prozent der Jungen das Wissen über den «genauen Zeitpunkt der Empfängnis besorgniserregend» . (Kluge). ⅓ gibt eine völlig falsche Antwort. Hier zeigt sich, dass Mädchen bei der elterlichen Aufklärung bevorzugt werden. Dies ist vor allem ein Verdienst der Mütter, die besonders auf Fragen der Schwangerschaftsverhütung achten. Demgegenüber steht ein fehlendes Sexualwissen bei Jungen, die – was die Verhütung anbetrifft – mehr darauf achten, dass das Mädchen für die Verhütung sorgt. So kommt denn der Verhütungsberatung bei Jungen ein herausragender Stellenwert zu, um sie zugleich zu einem selbstverantworteten sexuellen Handeln zu ermutigen.
Allerdings sollte man sich einen Gedanken vor Augen führen, wenn es um ungewollte Schwangerschaften bei minderjährigen Teenagern geht: Sie wird es – allen sexualerzieherischen Bemühungen zum Trotz – weiter geben.
Das unvorsichtige Verhalten beim Geschlechtsverkehr, die Bereitschaft zum Risiko beim «ersten Mal», das spontane, intuitive Handeln aus dem Bauch heraus, hat ja nichts damit zu tun, dass die pubertierenden Mädchen und Jungen zu «dumm», ignorant, sexbesessen, oberflächlich, nur an flüchtigen, schnellen Abenteuern, einem One-Night-Stand, interessiert wären. Die pubertierenden Mädchen und Jungen gehen vielmehr – wie der Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt ständig betont – sehr wohl verantwortungsbewusstmit ihrer
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