Pubertät – Loslassen und Haltgeben
für alle Zeit schädigend aus, aber erzieherische Einflüsse, die
auf Dauer und gleichbleibend
kindliche Bedürfnisse verkennen und missachten, gar unterdrücken, sind entwicklungshemmend und traumatisieren. Wenn Heranwachsende
auf Dauer
keine elterliche Annahme und Fürsorge erfahren, wenn ihnen
auf Dauer
keine Eigenverantwortung zugestanden wird, dann können Orientierungslosigkeit und Minderwertigkeitsgefühle die Folge sein.
Um nicht missverstanden zu werden: Wenn Eltern Fehler in der Erziehung machen – und der Alltag bietet dafür genügend Gelegenheiten –, ist dies kein Grund, in Sack und Asche zu gehen. Vielmehr sollten Fehler als Chance begriffen werden, über das eigene Handeln nachzudenken und es möglicherweise zu verändern. Und wer die Schwäche hat, Fehler zu begehen, dürfte die Stärke besitzen, sich beim Heranwachsenden zu entschuldigen. Nicht unwillig, leise hingenuschelt oder weil «man» dasheute tut, sondern ernstgemeint – verbunden mit der Absicht, künftig andere Konfliktlösungen zu entwickeln.
Der offene Umgang mit Fehlern ist eine Chance für Heranwachsende: Die Fehler der Eltern zeigen ihnen, dass sie keine perfekten Väter und Mütter haben, aber solche, die mit Krisen und Niederlagen umgehen können, die aus Fehlern lernen und bereit sind, Konsequenzen daraus zu ziehen. Ermutigender sind demnach nicht selbstentworfene Hochglanzbilder, sondern gelebte, nachvollziehbare elterliche Vor-Bilder.
Aus dem Zen-Buddhismus stammt die Geschichte von drei Lehrern, die sich über ihre Rolle für die Entwicklung von Heranwachsenden Gedanken machen. Der erste Lehrer betrachtet seine Schüler als einen leeren Topf, den er mit Wissen und Informationen füllen muss, damit die Schüler ihr Leben meistern. Ein anderer Lehrer hält seine Schützlinge für eine ungestaltete Masse aus Ton, die er durch sein Tun so lange formen muss, bis das Ergebnis seinem Bild entspricht. Ein dritter Lehrer schließlich behandelt seine Schüler wie die vielen unterschiedlichen Blumen, die in seinem Garten wachsen. Er beobachtet und erspürt die unterschiedlichen Bedürfnisse jeder Blume: Wasser, Sonne und individuelle Zuwendung. Der Kaktus braucht weniger Wasser als die Sumpfdotterblume, die Rose mehr Sonne als der Efeu, der gerade angepflanzte Buchsbaum mehr Dünger als die ausgewachsene Birke.
So weit die Geschichte, die Einwände geradezu provoziert: Natürlich muss ein Lehrer nicht selten den schier unerschöpflichen Wissensdurst der Heranwachsenden stillen, manchmal brauchen Schüler unmittelbare Prägung und Formung. Doch handelt jener Lehrer angemessener, der sein pädagogisches Tun auf das jeweilige Entwicklungsstadium und die individuellen Voraussetzungen des Kindes abstimmt.
«Aber was heißt das für mich?», fragt die Mutter von drei pubertierenden Söhnen etwas genervt. «Was heißt das denn fürmich? Ich will es doch
allen
recht machen. Sie sollen mir später nicht vorwerfen, ich hätte sie benachteiligt, irgendeinen vorgezogen.» Sie ist verunsichert: «Aber ich schaffe das alles einfach nicht. Der Älteste ist in Mathematik gut, der Jüngste nicht, und auch dann nicht, wenn er Nachhilfe bekommt. Der Mittlere trödelt und trödelt. Dem kann ich sagen, was ich will, er ist eine Schnecke. Und je mehr ich auf ihn einrede, umso mehr zieht er sich zurück. Aber er muss doch laufen lernen, sonst kommt er nicht durchs Leben.»
Das Streben nach Perfektionismus löst bei Eltern ein hohes Maß an Ungeduld und das Gefühl von Hilflosigkeit aus. Und führt bei Heranwachsenden zu Gefühlen von Minderwertigkeit, Versagen und Nichtangenommensein. Denn perfektionistische Eltern erleben ein ständiges Scheitern. Sie halten die häufigen Fehler in der Erziehung, die sie gar nicht vermeiden können, nicht aus und suchen Schuldige. Manche fangen bei sich an, betrachten sich als unfähig. Andere suchen die Schuldigen in der Außenwelt – die Schule, die Gesellschaft, die Medien usw. Nicht wenige landen jedoch auf ihrer Suche nach einem Sündenbock beim eigenen Kind, das jeden Tag das Misslingen des elterlichen Perfektionismus anschaulich vorlebt. Und so kann es sein, dass die eigenen Versagensängste auf das Kind übertragen werden, gar das Kind dafür verantwortlich gemacht wird, wenn perfekte Erziehung missglückt. Dieser Ablauf kann unter ganz verschiedenen Überschriften stehen, je nach elterlicher Befindlichkeit: «Ich tue so viel für dich, und dann tust du mir diese Leistungen in der Schule an!» Oder: «Wenn
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