Pubertät – Loslassen und Haltgeben
von Fabian streicheln, aber er zieht sie reflexartig zurück. «Wir meinen es doch nur gut mit dir.» Sie sieht ihn an. «Philipp ist doch nun wirklich kein Umgang für dich!»
Jetzt springt Fabian auf. «Ach, lasst mich. Ihr mit euren Sorgen. Das nervt. Ich will Freunde, die mir passen.» Er läuft mit den Worten «Jetzt habe ich die Schnauze voll!» aus dem Wohnzimmer.
«Aber, Fabian», ruft die Mutter ihm hinterher.
«Lass ihn», wütet der Vater, «mal sehen, wer hier zum Schluss die besseren Argumente hat!»
Die Situation veranschaulicht nochmals, was viele Jugendliche am Gesprächsverhalten ihrer Eltern kritisieren:
Eltern können nicht richtig zuhören. Sie konzentrieren sich nicht auf das, was der Heranwachsende vorträgt, haben vorgefasste Antworten im Kopf, wollen nur die eigene Meinung sagen, obwohl dies von Jugendlichen nicht immer gewünscht wird.
Nachfragen der Eltern empfinden Heranwachsende häufig als Verhör. Sie bohren nach, wollen alles wissen, spüren nicht die Grenzen, die ein Heranwachsender setzt. Je weniger Jugendliche das Gefühl haben, nicht alles sagen zu müssen, desto freier drücken sie sich häufig aus, desto mehr geben sie preis, was sie mitteilen möchten. Anders ausgedrückt: Je intensiver Eltern mit ihren Fragen in den Heranwachsenden eindringen, umso schneller machen sie dicht und ziehen sich zurück.
Heranwachsende wollen die Diskussion, die Auseinandersetzung; wenn sie aber das Gefühl haben, bekehrt zu werden,oder man von ihnen verlangt, sofort Einsicht zu zeigen, dann gehen Heranwachsende auf Konfrontationskurs.
In vielen elterlichen Kommentaren und Bewertungen erkennen Jugendliche versteckte oder verdeckte Vorwürfe. Sie fühlen sich nicht an- und ernstgenommen. Sätze wie «Was hast du denn schon wieder angestellt?» oder «Fürchterlich! Bei diesen Freunden gehst du ein und aus!» oder «Das hätte ich von dir nicht gedacht!» lassen Offenheit und Vertrauen nicht entstehen.
Jugendliche haben das Gefühl, dass Eltern, wenn sie sich sorgen, mehr an sich denken – «Was sagen wohl die anderen, dass ich dieses Kind habe!». Jugendliche wollen Anteilnahme und Mitgefühl, aber keine überzogen-übertriebene Fürsorge.
Das höre sich ja alles gut an, meinte einmal ein Vater, aber es sei doch eben verdammt schwierig, mit Jugendlichen zu reden. Dieser Vater verdient Zustimmung: Manchmal kann man es Jugendlichen überhaupt nicht recht machen. Hin und wieder ist es fast unmöglich, dann nämlich, wenn Jugendliche nicht verstanden werden wollen und sich selbst ein Rätsel sind, das ungelöst bleiben soll.
Ich-Botschaften sind keine Moralpredigten
Nicht nur Heranwachsende, auch Erwachsene können mit pauschalen Vorwürfen schlecht umgehen. Sätze wie «Du räumst nie auf!», «Du bummelst nur!», «Du kommst immer zu spät!», «Du wirst nur noch frech!» entmutigen Heranwachsende nicht nur, sie bringen Erwachsene dazu, Heranwachsende nur noch unter bestimmten negativen Gesichtspunkten zu betrachten. Kinder entwickeln umgekehrt Minderwertigkeitsgefühle, Wünsche nach Rache und Vergeltung. Sie treten mit den anklagenden Eltern ineinen Machtkampf ein, machen das familiäre und häusliche Zusammenleben zur Hölle.
Vorwürfe, die mit «nie», «immer», «nur» daherkommen, sind unzulässige Verallgemeinerungen, sie enthalten nicht selten direkte oder indirekte Beschuldigungen. Solche Formulierungen sind ein Ausdruck dafür, dass Kindern bestimmte Verhaltensweisen zugeschrieben werden.
Nun brauchen Eltern nicht jede Verhaltensweise des Heranwachsenden hinzunehmen, vor allem dann nicht, wenn gegen Absprachen verstoßen oder die persönliche Integrität der Eltern verletzt wird. Entscheidend ist mithin,
wie
Eltern Störungen thematisieren. Vorwürfe, verallgemeinernde Anklagen helfen Heranwachsenden nicht.
«Das ist unmöglich, dass du ständig unpünktlich bist», schimpft Verena Heinz mit ihrer Tochter Rebecca, 14 Jahre. Sie verspätet sich tatsächlich häufig.
«Hab’s vergessen», versucht Rebecca zu beschwichtigen.
«Du vergisst fast alles. Es ist einfach unmöglich.»
«Immer, wenn du nicht gut drauf bist, meckerst du gleich», kontert Rebecca.
«Bis eben hatte ich gute Laune.»
«Stimmt doch gar nicht, alles war schon beleidigt an dir, als ich zur Tür hereinkam.»
«Kein Wort mehr!» Die Stimme der Mutter klingt scharf.
«Morgen komme ich noch später, dann muss ich dich nicht so lange aushalten!»
Mit diesen Worten verlässt Rebecca den
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