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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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so bewahrt worden waren.
    Einer der wenigen, die McKune auf seinen Reisen durch die Provinzen der Sammlerwelt begleiteten, war Harry Smith, der sich 1952 an die Veröffentlichung der Anthology of American Folk Music machen sollte. Smith drängte McKune, sich wegen eines merkwürdigen Verzeichnisses, das Alan Lomax in seinen Field-Recording-Tagen zusammengestellt hat und das unter dem Titel American Folk Songs on Commercial Records in der Library of Congress steht, an die Bibliothek zu wenden.
Diese Liste ist die eigentliche DNA des Country Blues als Genre. Hamilton schreibt:
     
    »Was [McKune] dort las, widerlegte jede seiner Annahmen, die er je zu race records gehegt hatte. Diese verwirrende Vielfalt der musikalischen Stilrichtungen, diese unverfälschte Eigentümlichkeit der Songtitel . . . Am faszinierendsten waren Lomax' Einlassungen zu Blues-Aufnahmen, [die] etwas Unverwässertes und Authentisches versprachen.«
     
    Man muss an dieser Stelle hervorheben, wie merkwürdig es ist, dass McKune seine Entdeckung im Jahr 1942 machte. Robert Johnson, der auf der Lomax-Liste mit dem Zusatzvermerk »sehr gute, eigenständige Kompositionen, Anklänge von Voodoo« geführt wird, war noch vier Jahre zuvor am Leben und im Studio gewesen. Und trotzdem existierte er für McKune nur noch so, wie er heute für uns existiert, wenn wir uns ihm in der Rückwärtsbewegung der Archäologen über den Mythos nähern. Der Country Blues lebte circa ein Jahrzehnt und wurde dann mit überraschender Plötzlichkeit ausgelöscht, von der Depression, dem Zweiten Weltkrieg und der Energie des Chicago-Sounds. 1938 organisierte John Hammond, ein früher Förderer amerikanischer Folkmusik (und später Bob Dylans erster Produzent), ein Konzert unter dem Titel »From Spirituals to Swing«. Damit wollte er eine Lanze brechen für die ästhetische Daseinsberechtigung afroamerikanischer Musik. Hammond depeschierte an Robert Johnson und lud ihn ein, in den Norden zu kommen und bei dem Konzert in der Carnegie Hall mitzuwirken. Eine bemerkenswerte Scharnierstelle für die Blues-Geschichtsschreibung: Der zweite Akt, der im Norden und dann auf den Festivals aufgeführt werden sollte, streckt im Bestreben, einer Kontinuität Respekt zu erweisen, die Hand aus nach dem seit Ausbruch des Krieges im Verschwinden begriffenen ersten. Doch Johnson war gerade ge
storben, im Alter von sechsundzwanzig Jahren, entweder durch Gift oder an angeborener Syphilis. Er hatte zuletzt als Baumwollpflücker gearbeitet. Während des Konzerts rollte man einen Phonographen auf die Bühne und spielte in die Stille hinein zwei Schallplatten von ihm. (Trotz dieser Vermitteltheit durch das Medium, die wir für so postmodern halten, war die Geisterhaftigkeit, die seine Platten gerade auch als gegenständliche Objekte umgab, von Anfang an greifbar.)
    McKune wollte diese Aufnahmen suchen und kennen. Hamilton behauptet, er sei einmal zweihundertfünfzig Meilen weit mit dem Bus gefahren, von Brooklyn bis an den Stadtrand von Washington, um Dick Spottswoods gerade aufgetauchte Pressung von Skip James' »Hard Time Killin' Floor Blues« zu hören. Er betrat das Zimmer, setzte sich, hörte die Platte an und ging wieder. Leute, die ihn kannten, berichten, er habe »schweigend« und »ehrfürchtig« gelauscht. James singt: »People are drifting from door to door, / Can't find no heaven, I don't care where they go.«
    Spottswood war einer aus dem Kreis der Eingeweihten, die sich in den späten vierziger und fünfziger Jahren um McKune scharten. Aus ihnen wurde schließlich die »Blues Mafia«, die wahrhaft ernstzunehmenden Sammler. Eigentlich »scharten« sie sich auch nicht um McKune – der ja in der Jugendherberge wohnte –, sondern er war es, der ihre Zusammenkünfte besuchte und laut Spottswood zu ihrem Salonchef wurde. (Es handelt sich hier übrigens um denselben Dick Spottswood, der einige Jahre später dem jungen John Fahey auf dessen Nachfrage hin am Telefon Blind Willie Johnsons Song »Praise God I'm Satisfied« vorspielte, woraufhin Fahey weinen und sich beinahe übergeben musste.)
    McKune war nie ein Objektfreak: Ähnlich wie Fahey – der Skip James hauptsächlich deshalb suchen ging, weil er hoffte, von dem Älteren dessen berüchtigte Mollharmonien lernen zu können – wollte er die Songs, die Sounds. Trotzdem fahndete
er nach Platten so unnachgiebig wie jeder Antiquitätensammler. Seine frühen, in der Zeitschrift Record Changer erschienenen »Suche«-Listen sind heute

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