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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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alten Mustern zum Opfer. Manchmal macht meine Frau sich darüber Sorgen, besonders seit unsere Tochter da ist. Meistens aber sieht sie es als nützliches Druckventil, weshalb ich dann den Rest des Jahres klarer und fokussierter bin. Analysieren, überlisten, Glück.
    Am Abend rannten die Kinder in unserer Suite im Disney-Hotel – kein Themenhotel, nur ein Standard-Freizeitpark-Luxuswohnheim – fast psychotisch in unendlichen Achten. Ein kleines Kind am Tag vor Disney ist ein Vollblutpferd, kurz bevor sich die Boxen öffnen. Ich beobachtete meine Frau und Shell, die sich lachend am beleuchteten, laminierten Tresen der Kochnische unterhielten. Shell sieht immer noch so aus wie zu der Zeit, als wir sie kennenlernten, teils Hippie, teils Übermutter, mit hübschen germanischen Zügen, langen dunkelblonden Haaren und einem Gesicht, das urplötzlich von Teilnahmslosigkeit zu einem entwaffnenden Lächeln wechseln kann. Sie und Disney, das hatte eine lange Vorgeschichte, von der ich bis dahin nichts wusste. Sie erzählte, wie sie und ihre Schwestern als Kinder hierher gebracht worden waren, und wie ihr Vater, ein Berufssoldat, sie durch den Park scheuchte und darauf bestand, dass kein Karussell ausgelassen wurde, um maximalen Spaß fürs Geld zu bekommen. Mittags ging es zurück auf den Parkplatz, wo sie im Wagen ihre mitgebrachte Verpflegung aßen. Dann schliefen alle. »Im Auto? Zu fünft?« Zu fünft – Mutter, Vater und drei Mädchen, in einem Ford Econoline. Fünfundvierzig Minuten Stille. Dann zurück zum Park. »Das habt ihr jedes Jahr gemacht?« Sogar zweimal pro Jahr, im Frühling und im Herbst. Die At
traktionen wurden absolviert wie ein Hürdensprint, nie fuhr man zweimal mit irgendwas. Das Detail des Mittagsschlafs im Auto faszinierte mich. Ich stellte mir vor, als Kind wach zu liegen, während die anderen schliefen, die Seltsamkeit dieser Stille.
    Später, als die Kinder in kleinen Häuflein auf dem Schlafsofa verteilt lagen, standen Trevor und ich auf dem Balkon. Er sprach davon, wie schwierig es am nächsten Tag werden würde, und in den folgenden Tagen und Nächten, im Park zu sein, ohne rauchen zu können. Ich machte mir keine allzu großen Sorgen. Tatsächlich war ich töricht genug zu glauben, dass die Idee von Disney an sich – die Tatsache, dass wir uns in einem streng überwachten Freizeitpark aufhalten würden – jeden Gedanken ans Kiffen unmöglich machen würde, so dass Trevor sich nicht quälen und ich kein schlechtes Gewissen haben müsste. Ich wäre tagsüber nicht breit und würde nur abends ein paar Züge nehmen, das konnte der ehelichen Harmonie nicht schaden. Trevor wollte davon nichts wissen. Er war eindeutig gestresst. »Ich verlier da drin den Verstand«, sagte er. »Warst du jemals da drin?«
    Einmal, mit elf. Ich konnte mich kaum erinnern. Es war an mir abgeprallt.
    »Wir sind jedes Jahr hier«, sagte Trevor. »Und jedes Jahr hab ich das Gefühl, dass mir der Schädel platzt.«
    »Ich hätte gedacht, du hast Kekse dabei«, sagte ich.
    »Klar, hab ich Kekse dabei«, sagte er. »Jedes Mal. Aber . . . du weißt schon.«
    Ich wusste. Einnahme über den Magen ist gut, und ein schlauer Kiffer geht irgendwann dazu über, um seine Lungen zu schonen, aber die Kombination aus Sauerstoffmangel und intensivem THC -Rausch, die man beim Rauchen erlebt, vor allem beim Rauchen von Joints, hat schon etwas. Für den Abhängigen gibt es dafür keinen richtigen Ersatz. Ein Haschkeks verändert deine Laune für Stunden, aber ein Joint fegt wie ein
magischer Besen um dich herum – er räumt auf einen Schlag auf.
    »Aber ich hab im Internet diese Seite gefunden«, sagte Trevor, »wo sich Leute darüber austauschen, wie man im Park kiffen kann.«
    »Im Park? In Disney World?«, sagte ich, als hätte ich nicht zugehört.
    Er winkte mich ins Zimmer und klappte auf dem Küchentresen leise seinen Laptop auf. »Schau dir das an«, flüsterte er. Nur wir beide waren noch wach.
    Ich ließ mich in einen der Drehstühle vor dem hellen Bildschirm fallen. Ich las, bevor ich wusste, was genau ich da las, aber es sah wie eine Art Chatroom aus. Oder ein Forum. Forum trifft es besser. Am linken Rand waren Cannabisblätter und nackte Frauen mit glitzernden Blüten in der Hand zu sehen: ein Kiffer-Forum. Trevor scrollte runter zu einem Beitrag mit dem Betreff »Re: Hello from Disney World«.
    Eine anonyme Person mit offenbar atemberaubend viel Erfahrung mit dem Rauchen von Gras im Walt Disney World Resort hatte

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