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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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Bewegungen immer auch darum, dass man alles miteinander teilen sollte.
    Die Passagiere retteten sich ans Ufer und begannen sofort, ein neues Schiff zu bauen.
    Einige von ihnen zumindest. Die anderen fragten sich: Was machen wir hier eigentlich? Warum wollen wir unbedingt nach Jamestown, wo wir lediglich koloniale Arbeitsbienen sind, bis wir verhungern oder von Heiden gefressen werden, wenn es
auf dieser Insel doch alles gibt, was wir brauchen? Frisches Obst, Fisch, jede Menge Platz. Lasst uns hier in Eintracht zusammen leben, Gott ehren und die Früchte der Erde teilen, und niemand soll mehr des anderen Untertan sein.«
    Die Bermudas waren unbewohnt. Keine Indianer. Terra pura , reine Erde.
    Und was geschah? Die Pilger, die dafür waren, nach Jamestown aufzubrechen, versuchten diejenigen, die auf der Insel bleiben wollten, einzusperren oder zu töten. Also versteckten sich Letztere im Wald.
    Um ein Exempel zu statuieren, brachte der Gouverneur einen der Anführer der Abtrünnigen um, einen gewissen Henry Paine. Er wollte ihn hängen, aber Paine bat darum, wie ein Gentleman erschossen zu werden. Seine letzten Worte waren den Quellen zufolge: »Der Gouverneur kann mir den Arsch küssen«. Er hat das wörtlich so gesagt.
    Am Ende gingen fast alle nach Jamestown und starben.
     
    Heute ist der 12. September 2009. Wir marschieren.
    Genauer gesagt: Wir sammeln uns um einen Festwagen, der uns von der Freedom Plaza bis an die Stufen des Kapitols führen wird.
    Einen einzelnen Festwagen sieht man selten, der Rest des Festzugs fehlt. Das Ding ähnelt einem Schiff auf einem Meer aus Menschen. Wir sind das Meer. (Wäre die Atmosphäre anders, könnte man das Ding auch für einen Heuwagen halten, der außer Kontrolle geraten und in einen Mob gedonnert ist).
    Vom Schiff herab spricht eine Frau zu uns. Sie ist etwa sechzig und nur schlecht zu sehen. Sie hat ein Mikrofon, doch die Anlage ist machtlos gegen den Lärm der Masse. Man versteht so gut wie nichts. Normalerweise wäre das ärgerlich. Heute ist es aufregend. Wir sind uns selbst schon beinahe zu viele, und wir werden immer mehr. Wir sind nicht mehr die schweigende Mehrheit, sagen unsere Schilder.
    Die Frau kündigt jemanden an; wir würden ihn wahrscheinlich schon aus dem Internet kennen, sagt sie. In den letzten Tagen sei er eine YouTube-Berühmtheit geworden. Er hat sich zu Hause mit seiner Webcam gefilmt und frei von der Leber weg über diese Nation und darüber gesprochen, was mit ihr passieren wird, wenn die guten Menschen nicht endlich auf die Barrikaden gehen. Der Mann ist ein Mittdreißiger mit braunen Haaren. In seinem Video sagt er irgendeinen Satz, der den Nerv der Leute trifft. Wer es gesehen hat, kennt auch den Satz; ein paar von uns kennen das Video nicht und hören auch nicht mehr gut genug, um den Satz heute zu verstehen, aber der Tonfall kommt an. Etwas wie »Ich will mein Amerika zurück!« Oder: »Was ist mit meinem Amerika passiert?«
    Ein Kerl hinter mir hält ein pfiffiges selbstgemachtes Schild in die Höhe. Aus einem riesigen Pappgesicht von Nancy Pelosi, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, hat er den Mund herausgeschnitten, und jetzt ist da ein Loch, ein klaffender Schlund. Dahinter hat er wie bei einem Bean-Bag-Spiel auf dem Rummel einen Sack angebracht. Er verteilt Lipton-Teebeutel und fordert die Leute auf, sie in Pelosis Hals zu hängen. Die Leute machen mit und lachen, sogar die Damen. Und Pelosi mit ihren riesigen verrückten Augen schluckt eifrig und starrt uns an.
    Das ist nur gerecht. Die Linken haben sich über uns lustig gemacht, weil einige von uns zunächst nicht kapiert haben, was die Witze mit den Teebeuteln sollten. »Tea-Bagging« sagt man, wenn jemand seine Eier in den Mund einer Frau hängt oder – wenn man eher so orientiert ist – in den eines anderen Typen. Ein paar von uns, meistens die Älteren, haben sich möglicherweise selbst kurz »Tea-Baggers« genannt, in all ihrer Unwissenheit und Unschuld. Heute drehen wir den Spieß um. Wer Humor hat, den trifft so was nicht.
    Auf einer Mülltonne steht eine seltsame Figur und zieht die Blicke auf sich. Ein kleiner Mann oder eine kleine Frau – man sieht vom Körper nicht genug, um das zu erkennen – hält ein
selbstgemaltes Plakat mit den Worten » YES I AM « in die Luft. Das Wesen trägt eine Obama-Maske. Wenn jemand »Obama!« schreit, wendet es sich dem Rufenden zu und tänzelt auf der Stelle. Über der Obama-Maske trägt es eine goldene Pappkrone. Obama hält sich

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