Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Richtung. Die Lichtstrahlen erhellten die Fassade eines bescheidenen ebenerdigen Holzhauses, das mitten auf einem postkartengroßen Rasen stand.
    Gunner war zwischen Haustür und Wohnzimmerfenster gekreuzigt worden. Bis auf blutbefleckte Boxershorts war er nackt. Aus seinen Händen, Füßen, Unterarmen und Knien ragten Nägel, die groß genug waren, um Schwellennägel zu sein. Vielleicht sind das Schwellennägel, dachte Clay. Zu Gunners Füßen hockte mit gespreizten Beinen Harold. Wie Alice bei ihrer ersten Begegnung trug er ein Lätzchen aus Blut, das jedoch nicht aus seiner Nase stammte. Der Glassplitter, mit dem er sich die Kehle durchgeschnitten hatte, nachdem er seinen Kumpel gekreuzigt hatte, glitzerte noch in seiner Hand.
    An einer Schnur um Gunners Hals hing ein Pappschild, auf das mit dunkler Farbe drei Wörter in Großbuchstaben gekritzelt waren: JUSTITIA EST COMMODATUM.

9
    »Falls jemand kein Latein kann ...«, begann Dan Hartwick.
    »Ich weiß noch genug aus dem Lateinunterricht, um das lesen zu können«, sagte Tom. »›Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan.‹ Das ist die Strafe für die Ermordung von Alice. Weil er gewagt hat, eine der Unberührbaren zu berühren.«
    »So ist es«, sagte Dan und knipste seine Lampe aus. Ray folgte seinem Beispiel. »Es dient zugleich als Warnung für andere. Und sie haben sie nicht umgebracht, obwohl sie das natürlich gekonnt hätten.«
    »Das wissen wir«, sagte Clay. »In Gaiten haben sie Vergeltung geübt, nachdem wir ihren Schwarm verbrannt hatten.«
    »Das haben sie auch in Nashua getan«, sagte Ray bedrückt. »Die Schreie werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Gottverdammt grausig. Wie der Scheiß hier.« Er deutete zu der dunklen Masse des Hauses hinüber. »Sie haben den Kleinen dazu gezwungen, den Großen an die Wand zu nageln, und den Großen dazu, sich das gefallen zu lassen. Und anschließend haben sie den Kleinen dazu gezwungen, sich selbst die Kehle durchzuschneiden.«
    »Wie beim Rektor«, sagte Jordan und ergriff Clays Hand.
    »Das ist die Macht ihres Bewusstseins«, sagte Ray, »und Dan glaubt, dass es auch ein Teil davon ist, was alle nach Norden, nach Kashwak ziehen lässt - vielleicht ein Teil davon, das uns dazu gebracht hat, nach Norden auszuholen, auch wenn wir uns eingeredet haben, wir wollten euch nur das hier zeigen und euch dazu überreden, euch mit uns zusammenzutun. Ihr wisst, was ich meine?«
    »Hat der Lumpenmann euch von meinem Sohn erzählt?«, fragte Clay.
    »Nein, aber hätte er es getan, hätte er todsicher behauptet, dass er mit anderen Normies zusammen ist und in Kashwak auf eine glückliche Wiedervereinigung mit dir wartet«, sagte Dan. »Also, diese Träume, in denen man auf einem Podest steht, während der Präsident der johlenden Menge erklärt, man sei geistesgestört, muss man einfach vergessen. Das ist kein Ende für dich, kann es nicht sein. Ich bin mir sicher, dass ihr euch inzwischen alle glücklich endende Szenarien ausgemalt habt, die hauptsächlich darauf hinauslaufen, dass Kashwak und Gott weiß wie viele handyfreie Gebiete gewissermaßen Schutzzonen für Normies sind: Zufluchtsorte, an denen Leute, die den Puls nicht abgekriegt haben, in Ruhe gelassen werden. Ich glaube, dass die Sache mit der ins Schlachthaus führenden Rutsche, von der dein junger Freund gesprochen hat, viel wahrscheinlicher ist, aber selbst wenn Normies dort oben ungestört leben dürften ... glaubt ihr wirklich, dass die Phoner Leuten wie uns vergeben werden? Uns Schwarm-Killern?«
    Clay wusste keine Antwort darauf.
    Im Dunkel sah Dan wieder einmal auf seine Uhr. »Drei Uhr durch«, sagte er. »Kommt, wir gehen zurück. Denise hat bestimmt schon unsere Sachen gepackt. Es wird Zeit, dass wir uns trennen -oder beschließen, gemeinsam weiterzuziehen.«
    Aber wenn du davon redest, gemeinsam weiterzuziehen, mutest du mir zu, mich von meinem Sohn zu trennen, dachte Clay. Und das würde er niemals tun, außer er entdeckte, dass Johnny-Gee tot war.
    Oder verwandelt.  

10
    »Wie könnt ihr hoffen, nach Westen zu gelangen?«, fragte Clay auf dem Rückweg zu dem Kreuzungsschild. »Die Nächte gehören vielleicht noch eine Zeit lang uns, aber die Tage gehören ihnen, und ihr habt gesehen, was sie alles können.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir sie aus unseren Köpfen aussperren können, solange wir wach sind«, sagte Dan. »Das erfordert zwar etwas Anstrengung, aber es ist zu schaffen. Wir schlafen in Schichten, zumindest vorläufig.

Weitere Kostenlose Bücher