Puls
dem Asphalt zusammen.
»Mensch, Ray hat doch die Schlüssel bei sich«, sagte Dan mit müder Stimme. Sein Pferdeschwanz hatte sich weitgehend aufgelöst, sodass ihm die Haare jetzt bis auf die Schulter hingen. »Irgendwer wird zurückgehen und .«
»Ich hab sie«, sagte Clay. »Und ich fahre.« Auch während er die Tür des kleinen Busses öffnete, fühlte er das ständige Klopfen-Klopfen-Klopfen, Schieben-Schieben-Schieben in seinem Kopf. An seinen Händen klebten Blut und Erde. Er konnte das Gewicht des Handys in seiner Tasche spüren und hatte eine verrückte Idee: Vielleicht hatten Adam und Eva ja ein paar Äpfel mitgenommen, als sie aus dem Garten Eden vertrieben wurden. Als kleine Erfrischung für unterwegs auf dem langen, staubigen Weg zu siebenhundert Fernsehkanälen und Rucksackbombern in der Londoner U-Bahn. »Alles einsteigen.«
Tom warf ihm einen scheelen Blick zu. »Du brauchst nicht so gottverdammt fröhlich zu klingen, van Gogh.«
»Warum nicht?«, sagte Clay lächelnd. Er fragte sich, ob sein Lächeln wie Rays aussah - diese grausig starre Grimasse am Ende eines Lebens. »Wenigstens brauche ich mir deinen Scheiß nicht mehr lange anzuhören. Also los, rein mit euch! Nächster Halt: Kashwak No-Fo.«
Bevor jedoch jemand einstieg, wurden sie dazu gebracht, ihre Schusswaffen wegzuwerfen.
Weder erhielten sie einen mentalen Befehl dazu, noch wurden ihre willkürlichen Bewegungen von irgendeiner übermächtigen Kraft gesteuert - Clay brauchte nicht hilflos zuzusehen, wie etwas seine Hand dazu brachte, den .45 er aus seinem Holster zu ziehen. Er glaubte nicht, dass die Phoner das konnten, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht; sie konnten noch nicht einmal die Bauchrednernummer abziehen, wenn sie nicht die Erlaubnis dazu hatten. Stattdessen fühlte er in seinem Kopf so etwas wie ein Jucken, ein grässliches Jucken.
»O Maria hilf!«, rief Denise halblaut und schleuderte die kleine .22er aus ihrem Gürtel so weit weg, wie sie nur konnte. Sie landete auf der Straße. Dan warf seine eigene Pistole hinterher; dann ließ er als Dreingabe sein Jagdmesser folgen. Das Messer segelte mit der Spitze voraus fast bis auf die andere Seite der Route 160, aber keiner der dort stehenden Phoner wich zurück.
Jordan ließ die Pistole aus seinem Gürtel neben dem Bus zu Boden fallen. Dann wühlte er wimmernd und zuckend in seinem Rucksack herum und warf auch Alice' Pistole weg. Tom befreite sich von Speedy.
Clay warf seinen Revolver auf die übrigen Waffen neben dem Bus. Seit dem Puls hatte der Colt zwei Menschen Unglück gebracht, und es tat ihm nicht besonders Leid, sich von ihm zu trennen.
»Da!«, sagte er. Er sprach zu den wachsamen Augen und schmutzigen Gesichtern - viele davon entstellt - auf der anderen Straßenseite, aber er sah dabei den Lumpenmann vor sich. »Das sind alle. Zufrieden?« Und er antwortete sich sofort selbst: »Warum. Hat. Er's getan?«
Clay schluckte trocken. Das wollten nicht nur die Phoner wissen; Dan und die anderen sahen ihn ebenfalls aufmerksam an. Er sah, dass Jordan sich an Toms Gürtel festhielt, als fürchtete er sich vor Clays Antwort, wie ein Dreikäsehoch sich vor einer verkehrsreichen Straße fürchtete. Vor einer mit vorbeidonnernden Lastwagen.
»Er hat gesagt, dass ein Leben nach eurer Art kein Leben mehr ist«, sagte Clay. »Er hat sich meinen Revolver geschnappt und sich eine Kugel in den Kopf gejagt, bevor ich ihn daran hindern konnte.«
Stille, die nur durch das Krächzen der Krähen unterbrochen wurde. Dann sprach Jordan ausdruckslos, aber nachdrücklich: »Unsere Art. Ist die einzige Art.«
Dan war der Nächste. Ebenso ausdruckslos. Außer Wut empfinden sie nichts, dachte Clay. »Steigt in. Den Bus.«
Sie stiegen in den Bus. Clay setzte sich ans Steuer, ließ den Motor an und fuhr auf der Route 160 nach Norden. Er war noch keine Minute unterwegs, als er auf eine Bewegung zu seiner Linken aufmerksam wurde. Es waren die Phoner. Sie bewegten sich auf dem Seitenstreifen - über dem Seitenstreifen - in gerader Linie nach Norden, als stünden sie eine Spanne weit über dem Erdboden auf einem unsichtbaren Förderband. Wo die Straße über den Hügel weiter vorn führte, stiegen sie um einiges höher, ungefähr fünf Meter hoch, und bildeten vor dem grauen, überwiegend bewölkten Himmel einen Bogen aus Menschenleibern. Die Phoner über den Hügelrücken verschwinden zu sehen war nicht anders, als sähe man Leute über den sanften Buckel einer unsichtbaren Achterbahn
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