Puls
in den Augen des Lumpenmanns, die er bei seiner Zeichnung in Gaiten einfach nicht richtig hinbekommen hatte, wirkte benommen und doch voller bösartigem Interesse. Clay sagte sich, dass er unmöglich beides zugleich ausdrücken konnte, aber so war es. Manchmal trat die benommene Stumpfheit in den Vordergrund; im nächsten Augenblick schien es wieder diese unheimliche und unangenehme Begierde zu sein.
Er kann doch nicht mitfahren wollen.
Aber genau das wollte der Lumpenmann anscheinend. An der Vordertür stehend, hob er die flach aneinander gelegten Hände, dann öffnete er sie. Die Geste war recht ansehnlich - die eines Mannes, der dieser Vogel ist ausgeflogen bedeuten will -, aber die Hände selbst starrten vor Schmutz, und der kleine Finger der linken Hand schien an zwei Stellen schlimm gebrochen zu sein.
Das ist das neue Volk, dachte Clay. Telepathen, die sich nicht waschen.
»Lass ihn nicht einsteigen«, sagte Denise. Ihre Stimme zitterte.
Clay, der sehen konnte, dass die stetige Förderbandbewegung der Phoner links des Busses zum Stehen gekommen war, schüttelte den Kopf. »Geht nicht anders.«
Sie gucken in deinen Kopf und stellen fest, dass du an ein beschissenes Handy denkst!, hatte Ray gesagt - fast geschnaubt. Woran sonst denkt jeder schon groß seit dem ersten Oktober?
Hoffentlich behältst du Recht, Ray, dachte er, bis Einbruch der Dunkelheit sind's nämlich noch eineinhalb Stunden. Mindestens eineinhalb Stunden.
Er betätigte den Hebel, der die Tür mechanisch öffnete, und der Lumpenmann, dessen eingerissene Unterlippe permanent feixend herabhing, kletterte an Bord. Er war fürchterlich abgemagert; die schmutzige Kapuzenjacke hing wie ein Sack an ihm. Zwar war keiner der Businsassen übermäßig sauber - Hygiene genoss seit dem 1. Oktober keine hohe Priorität mehr -, aber der Lumpenmann verbreitete einen satten, kräftigen Gestank, von dem Clay fast die Augen tränten. Es war die Ausdünstung von stark riechendem Käse, den man in einem warmen Raum nachreifen ließ.
Der Lumpenmann setzte sich auf den Platz an der Tür, auf dem er auf gleicher Höhe mit dem Fahrer saß, und musterte Clay. Einige Sekunden lang waren da nur die Last seines vagen Blicks und diese eigentümliche grinsende Neugier.
Dann sprach Tom mit der dünnen, aufgebrachten Stimme, die Clay erst einmal von ihm gehört hatte, nämlich als er zu der molligen Bibelschwingerin Okay, das war's, alles raus aus dem Schwimmbecken! gesagt hatte, weil sie angefangen hatte, Alice vom Weltuntergang zu predigen. »Was willst du von uns? Die Welt, soweit sie noch existiert, gehört euch doch längst - was wollt ihr also von uns?«
Der ramponierte Mund des Lumpenmanns formte das Wort, noch während Jordan es sprach. Nur dieses eine Wort, nüchtern und emotionslos. »Gerechtigkeit.«
»Was Gerechtigkeit betrifft«, sagte Dan, »habt ihr irgendwie keine Ahnung, worum es geht.«
Der Lumpenmann antwortete mit einer Geste, indem er mit hochkant gehaltener Hand auf die Zubringerstraße deutete und den Zeigefinger kreisen ließ: Weiterfahren.
Als der Bus anfuhr, setzten sich auch die meisten Phoner wieder in Bewegung. Einige weitere waren in Schlägereien verwickelt, und in den Außenspiegeln sah Clay andere auf der Zubringerstraße in Richtung Highway davonschlurfen.
»Du verlierst Teile deiner Truppe«, sagte Clay.
Der Lumpenmann gab keine Antwort im Namen des Schwarms. Seine Augen, die mal trübe, mal neugierig, mal beides gleichzeitig waren, blieben auf Clay gerichtet, der sich einbildete, fast spüren zu können, wie dieser Blick leicht über seine Haut wanderte. Die von Schmutz grauen, verkrümmten Finger des Lumpenmanns lagen im Schoß seiner verdreckten Jeans. Dann grinste er plötzlich. Vielleicht war das Antwort genug. Dan hatte doch Recht. Für jeden Phoner, der ausfiel - der mit den Rädern nach oben dalag, wie Jordan sagen würde -, gab es reichlich neue. Er hatte allerdings keine rechte Vorstellung davon, wie viele unter reichlich zu verstehen waren, bis der Wald eine halbe Stunde später auf beiden Straßenseiten zurückwich und sie unter einem hölzernen Torbogen mit der Aufschrift WILLKOMMEN ZUR NORTHERN COUNTIES EXPO hindurchfuhren.
3
»Großer Gott«, sagte Dan.
Denise drückte Clays Gefühle besser aus, indem sie einen leisen Schrei ausstieß.
Der jenseits des schmalen Mittelgangs auf dem ersten Fahrgastsitz hockende Lumpenmann saß einfach nur da und starrte Clay mit der halb geistlosen Bösartigkeit eines blöden
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