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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kindes an, das im Begriff stand, ein paar Fliegen die Flügel auszureißen. Gefällt's dir?, schien sein Grinsen zu sagen. Sehenswert, nicht wahr? Die ganze Bande ist da! Natürlich konnte ein Grinsen dieser Art genau dies, aber auch irgendwas anderes bedeuten. Es konnte sogar besagen: Ich weiß, was du in der Tasche hast.
    Jenseits des Torbogens lag eine Mittelstraße, wo auf beiden Seiten alle möglichen Fahrgeschäfte standen, die zum Zeitpunkt des Pulses offenbar noch im Aufbau begriffen gewesen waren. Clay konnte nicht sagen, wie viele Buden und Stände man hier errichtet hatte, einige waren jedenfalls schon wie die Zelte an dem sechs oder gar acht Meilen hinter ihnen liegenden Kontrollpunkt weggeweht worden. Nur etwa ein halbes Dutzend, deren Seiten in der Abendbrise zu atmen schienen, standen noch. Das Kaffeetassenkarussell war halb aufgebaut wie auch die Geisterbahn gegenüber (WER WAGT'S stand auf dem einzigen Fassadensegment, das errichtet war; über den Wörtern tanzten Skelette). Nur das Riesenrad und der Fallschirmsprungturm am Ende der Mittelstraße schienen fertig zu sein, aber ohne elektrische Lichter, die sie freundlicher gemacht hätten, erschienen sie Clay geradezu gruselig - nicht wie Fahrbetriebe auf einer Landwirtschaftsausstellung, sondern wie gigantische Folterwerkzeuge. Trotzdem sah er wenigstens ein Licht blinken: eine winzige rote Blinkleuchte, bestimmt batteriebetrieben, ganz oben auf dem Fallschirmsprungturm.
    Ein gutes Stück hinter dem Sprungturm stand ein rot abgesetztes weißes Gebäude, das leicht ein Dutzend Scheunen lang war. Entlang den Gebäudeseiten war loses Heu zu großen Bergen aufgehäuft. In dieser preiswerten ländlichen Isolierung steckten in Abständen von ungefähr drei Metern amerikanische Fähnchen, die in der Abendbrise flatterten. Das Gebäude war mit Girlanden in patriotischen Farben geschmückt und trug die Aufschrift
    NORTHERN COUNTRIES EXPO KASHWAKAMAK-HALLE
    in leuchtendem Blau.
    Aber es waren nicht diese Dinge, die aller Aufmerksamkeit auf sich zogen. Zwischen Fallschirmsprungturm und Kashwakamak-Halle lag ein über einen Hektar großes Freigelände. Clay vermutete, dass sich hier die Zuschauermassen zu Zuchtviehausstellungen, Traktor-Wettziehen, abendlichen Konzerten und - natürlich - den Feuerwerken versammelt hätten, mit denen die Expo eröffnet und beendet worden wäre. Das Gelände war von Lichtmasten und Lautsprechersäulen umgeben. Jetzt stand dieser weite grasbewachsene Anger voll dicht gedrängter Phoner. Sie standen Schulter an Schulter, Hüfte an Hüfte, alle Gesichter in dieselbe Richtung gewandt, um die Ankunft des kleinen Schulbusses zu beobachten.
    Falls Clay im Stillen gehofft hatte, hier irgendwo Johnny - oder Sharon - entdecken zu können, verflog diese Hoffnung sofort. Auf den ersten Blick hatte er geschätzt, dass unter den nicht mehr funktionierenden Lichtmasten fünftausend Leute versammelt waren. Dann sah er, dass sie sich auch auf den angrenzenden begrünten Parkplätzen ausgebreitet hatten, und revidierte seine Schätzung nach oben. Acht. Mindestens achttausend.
    Der Lumpenmann saß dort, wo eigentlich irgendein Drittklässler aus der Newfielder Grundschule hingehört hätte, und grinste Clay mit Zähnen an, die durch die gespaltene Lippe blitzten. Gefällt's dir?, schien sein Grinsen zu fragen, und Clay musste sich wieder einmal daran erinnern, dass man aus einem Grinsen dieser Art alles herauslesen konnte, wirklich alles.
    »Wer tritt also heute Abend auf? Vince Gill? Oder habt ihr Leute euch in Unkosten gestürzt und Alan Jackson engagiert?« Das war Tom. Er versuchte witzig zu sein, was Clay sehr anerkennenswert fand, aber Toms Stimme klang vor allem verängstigt.
    Der Lumpenmann sah weiterhin Clay an. Über seinem Nasensattel war eine kleine senkrechte Falte erschienen, als würde ihm irgendetwas Kopfzerbrechen bereiten.
    Clay fuhr mit dem kleinen Schulbus langsam die Mittelstraße entlang - auf den Sprungturm und die dahinter versammelte Menge zu. Hier lagen weitere Leichen herum; sie erinnerten Clay daran, wie man manchmal nach einem plötzlichen Kälteeinbruch kleine Häufchen von toten Insekten auf den Fensterbrettern fand. Er konzentrierte sich darauf, die Hände locker zu halten. Der Lumpenmann sollte nicht sehen, wie die Fingerknöchel beim Umklammern des Lenkrads weiß hervortraten.
    Und fahr langsam. Immer schön mit der Ruhe. Er sieht dich nur an. Und was Handys angeht - woran sonst hat jeder seit dem ersten Oktober

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