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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem Gesicht kreischte.
    »Schatz«, sagte er. »Nein, Schatz, nicht.« Aber sie kreischte weiter.

11
    Sie hieß Alice Maxwell. So viel konnte sie ihnen sagen. Und sie konnte erzählen, dass ihre Mutter und sie mit dem Zug nach Boston gekommen waren - aus Boxford, sagte sie -, um ein paar Einkäufe zu machen, was sie oft an einem Mittwoch taten, der in der Highschool, auf die sie ging, ihr »kurzer Tag« war. Sie sagte, sie seien am Bahnhof South Station ausgestiegen und hätten sich ein Taxi genommen. Sie sagte, der Taxifahrer habe einen blauen Turban getragen. Sie sagte, der blaue Turban sei das Letzte, woran sie sich erinnern könne, bis der glatzköpfige Hotelangestellte endlich die zersplitterte zweiflüglige Tür des Atlantic Avenue Inn aufgesperrt und sie eingelassen habe.
    Clay glaubte, dass sie sich an mehr erinnerte. Seine Vermutung basierte darauf, wie sie zu zittern begann, als Tom McCourt sie fragte, ob ihre Mutter oder sie ein Handy bei sich gehabt hätten. Sie behauptete, sich nicht daran erinnern zu können, aber Clay war sich sicher, dass eine oder beide eines gehabt hatten. Heutzutage schien jedermann eines zu besitzen. Er selbst war nur die Ausnahme, die die Regel bestätigte. Und dann gab es noch Tom McCourt, der sein Leben vielleicht der Katze verdankte, die sein Handy von der Küchentheke geschubst hatte.
    Sie sprachen mit Alice (das Gespräch bestand hauptsächlich daraus, dass Clay Fragen stellte, während das Mädchen stumm dasaß, die aufgeschürften Knie anstarrte und von Zeit zu Zeit den Kopf schüttelte) in der Eingangshalle. Clay und McCourt hatten Franklins Leiche hinter die Rezeption getragen, ohne auf den lautstarken, bizarren Protest des Kahlköpfigen zu achten, »dort liegt sie mir bloß unter den Füßen herum«. Seither hatte der Hotelangestellte, der sich nur als Mr. Ricardi vorgestellt hatte, sich in sein Büro hinter der Rezeption zurückgezogen. Clay war ihm kurz gefolgt, um sich davon zu überzeugen, dass Mr. Ricardi mit der Behauptung, der Fernseher sei außer Betrieb, die Wahrheit gesagt hatte, und hatte ihn dann dort allein gelassen. Sharon Riddell hätte gesagt, Mr. Ricardi säße beleidigt in seinem Kabuff.
    Der Mann hatte Clay jedoch nicht ohne eine letzte boshafte Bemerkung gehen lassen. »Jetzt sind wir für alle Welt offen«, hatte er verbittert gesagt. »Hoffentlich glauben Sie, damit etwas geleistet zu haben.«
    »Mr. Ricardi«, hatte Clay so geduldig wie möglich geantwortet, »vor kaum einer Stunde habe ich gesehen, wie jenseits des Stadtparks ein Sportflugzeug bei der Landung abgestürzt ist. Weitere Maschinen - große Verkehrsflugzeuge - tun dasselbe auf dem Logan Airport. Vielleicht fliegen sie sogar Selbstmordangriffe auf die Terminals. Überall in der Innenstadt gibt's Explosionen. Ich würde sagen, dass heute Nachmittag ganz Boston für alle Welt offen ist.«
    Wie um sein Argument zu unterstreichen, erklang über ihnen ein sehr schweres Poltern. Mr. Ricardi sah nicht auf. Er wedelte nur mit einer Hand - hinweg! - in Clays Richtung. Da er nicht fernsehen konnte, saß er stumm in seinem Schreibtischsessel und starrte streng die Wand an.

12
    Clay rückte mit Tom McCourt die nachgeahmten Queen-Anne-Stühle an die Tür, wo ihre hohen Rückenlehnen es ziemlich gut schafften, die Rahmen auszufüllen, deren Glaseinsätze zersplittert waren. Während Clay sich einerseits sicher war, dass das Absperren des Hotels gegenüber der Straße nur dürftige oder sogar trügerische Sicherheit gewähre, hielt er es andererseits für eine gute Idee, den Blick ins Hotel zu blockieren, und McCourt gab ihm darin Recht. Sobald die Stühle aufgestellt waren, ließen sie die Jalousie vor dem Hauptfenster der Hotelhalle herunter. Das machte den Raum um einiges dunkler und ließ schwache Streifen wie von Gefängnisgittern als Schatten über den türkischroten Teppichboden marschieren.
    Nachdem das alles erledigt und Alice Maxwells radikal gekürzte Geschichte erzählt war, trat Clay schließlich an das Telefon hinter der Theke. Er sah auf seine Armbanduhr. Es war 16.22 Uhr, was durchaus logisch gewesen wäre, wäre nicht jeder gewöhnliche Zeitbegriff aufgehoben gewesen. Ihm erschien es, als wären Stunden vergangen, seit er gesehen hatte, wie der Mann im Park den Hund biss. Zugleich schienen seither kaum einige Minuten verstrichen zu sein. Aber es gab eine Zeit, zumindest eine von Menschen festgelegte, und in Kent Pond würde Sharon inzwischen bestimmt wieder in dem Haus sein, das er

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