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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Polizei hat mich angewiesen, nicht auf die Straße zu gehen. Die Polizei. Die Obrigkeit.«
    Clay nickte. »Die Obrigkeit, klar.«
    »Sind Sie mit der U-Bahn gekommen?«, fragte Mr. Ricardi. »Ich fahre immer damit. Die Station ist nur zwei Blocks von hier entfernt. Ist ziemlich bequem.«
    »Heute Nachmittag wär's nicht bequem gewesen«, sagte McCourt. »Nach allem, was wir gesehen haben, bringen mich keine zehn Pferde dort runter.«
    Mr. Ricardi sah Clay mit kummervollem Eifer an. »Sehen Sie?«
    Clay nickte wieder. »Hier sind Sie besser aufgehoben«, sagte er. Und war entschlossen, irgendwie nach Hause zu kommen, um seinen Sohn zu sehen. Natürlich auch Sharon, aber vor allem seinen Sohn. Er wusste, dass er sich von nichts aufhalten lassen würde, solange sich ihm nichts Unüberwindbares in den Weg stellte. Das Ganze bedrückte ihn so sehr, dass es buchstäblich einen Schatten auf sein Sehvermögen warf. »Viel besser aufgehoben.« Dann nahm er den Telefonhörer ab und drückte die 9, um das Amt zu bekommen. Er war sich nicht sicher, ob er es bekommen würde, aber es klappte. Er wählte die 1, dann 207, die Vorwahl von Maine, und danach 692, die Vorwahl für Kent Pond und die umliegenden Kleinstädte. Er schaffte noch drei der letzten vier Nummern - fast bis zu dem Haus also, das er weiter als sein Zuhause betrachtete -, bevor das aus drei Tönen bestehende charakteristische Unterbrechungssignal kam. Eine Frauenstimme vom Tonband folgte: »Wir bitten um Entschuldigung. Alle Leitungen sind überlastet. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.«
    Unmittelbar darauf kam wieder der Wählton, weil irgendeine automatische Schaltung ihn von Maine getrennt hatte . falls die Roboterstimme von dort gekommen war. Clay ließ den Hörer auf Schulterhöhe sinken, als wäre das Ding plötzlich bleischwer geworden. Dann legte er langsam auf.

13
    Tom McCourt erklärte Clay für verrückt, von hier fortzuwollen.
    Zum einen, betonte er, seien sie hier im Atlantic Avenue Inn relativ sicher, vor allem weil die Aufzüge außer Betrieb waren und der Zugang zur Hotelhalle vom Treppenhaus aus blockiert war. Das hatten sie geschafft, indem sie Kartons und Koffer aus dem Gepäckraum vor der Tür am Ende des kurzen Flurs gleich hinter den beiden Aufzügen aufgestapelt hatten. Selbst wenn jemand mit Riesenkräften die Tür von innen aufdrücken wollte, würde er den Stapel nur an die gegenüberliegende Wand schieben und die Tür vielleicht fünfzehn Zentimeter weit öffnen können. Nicht genug, um hindurchzuschlüpfen.
    Zum anderen schien der Tumult in der Stadt außerhalb ihres kleinen Zufluchtsorts tatsächlich anzuschwellen. Es gab Dauerlärm von allen möglichen Alarmanlagen, von Schreien und Gekreisch und aufheulenden Motoren; dazu kam manchmal der Panikgeruch von Rauch, obwohl der an diesem Tag herrschende lebhafte Wind das Schlimmste von ihnen wegzutragen schien. Bisher, dachte Clay, aber das wollte er nicht laut sagen, zumindest vorläufig nicht - er wollte das arme Mädchen nicht noch mehr ängstigen. Es gab Explosionen, die aber nie vereinzelt, sondern vielmehr anfallartig zu kommen schienen. Eine davon ereignete sich so nahe, dass sie sich alle duckten, weil sie fest damit rechneten, das große Fenster zur Straße würde zersplittern. Es blieb heil, aber danach zogen sie sich alle in Mr. Ricardis Allerheiligstes zurück.
    Der dritte Punkt, den McCourt nannte, um zu begründen, dass Clay verrückt sei, wenn er auch nur daran denke, die dürftige Sicherheit des Hotels zu verlassen, war die Uhrzeit: Viertel nach fünf. Der Tag würde bald enden. McCourt argumentierte, Boston bei Nacht verlassen zu wollen, sei reiner Wahnsinn.
    »Werfen Sie bloß mal einen Blick nach draußen«, sagte er und wies dabei auf Mr. Ricardis kleines Fenster, das auf die Essex Street hinausführte. Die Straße war mit stehen gelassenen Autos verstopft. Dort draußen lag zudem mindestens eine Leiche, nämlich die einer jungen Frau in Jeans und einem Red-Sox-Sweatshirt. Sie lag bäuchlings auf dem Gehsteig und hatte beide Arme ausgestreckt, als wäre sie bei dem Versuch, schwimmen zu wollen, gestorben. VARITEK verkündete ihr Sweatshirt »Glauben Sie etwa, mit Ihrem Wagen fahren zu können? Dann sollten Sie lieber noch mal nachdenken.«
    »Er hat Recht«, sagte Mr. Ricardi. Er saß hinter seinem Schreibtisch und hatte die Arme wieder vor der schmalen Brust verschränkt: ein Bild des Jammers. »Sie stehen im Parkhaus in der Tamworth Street. Ich bezweifle,

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