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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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uninteressierten Blick für sie übrig, bevor sie wieder ins Dunkel sahen, in dem irgendwo vor ihnen New Hampshire lag.
    Die mollige Frau kam mit hoch erhobener Bibel, flammendem Blick und wippenden Friseurlocken groß in Fahrt. »Nimm die Hände herunter, Mädchen, und höre Gottes Wort, bevor du zulässt, dass diese Männer dich hinwegführen und mit dir noch am offenen Höllentor Unzucht treiben! ›Denn ich sah einen flammenden Stern am Himmel, und der Name des Sterns hieß Wermut, und jene, die ihm folgten, folgten Luzifer, und jene, die ihm folgten, stiegen hinab in den Ofen des ...‹«
    Clay schlug zu. Obwohl er seinen Schlag im letzten Augenblick etwas abmilderte, verpasste er ihr einen kräftigen Kinnhaken und spürte den Aufprall als heiße Welle bis zur Schulter hinauf. Die Brille der Molligen stieg von ihrer Mopsnase hoch und sank wieder herab. Die Augen dahinter wurden glanzlos und kippten nach oben. Ihre Knie gaben nach, und sie sackte zusammen, wobei ihr die Bibel aus der geballten Faust flog. Alice, die vor Entsetzen weiter wie gelähmt wirkte, riss trotzdem die Hände schnell genug von den Ohren, um die Bibel auffangen zu können. Und Tom McCourt bekam die Frau unter den Armen zu fassen. Der Kinnhaken und die beiden Fangvorgänge folgten so flüssig nacheinander, als wären sie einstudiert gewesen.
    Clay war plötzlich einem Zusammenbruch näher als jemals zuvor seit dem Augenblick, in dem alles angefangen hatte, schief zu gehen. Wieso das jetzige Geschehen schlimmer sein sollte als der Hälse aufbeißende Teenager oder der ein Messer schwingende Geschäftsmann, schlimmer als Mr. Ricardi mit einem Plastikbeutel über dem Kopf an einer Deckenleuchte erhängt aufzufinden, wusste er nicht, aber es war so. Er hatte dem mit einem Messer Bewaffneten einen Tritt versetzt, wie das auch Tom getan hatte, aber der Messer schwingende Geschäftsmann war andersartig verrückt gewesen. Die ältliche Lady mit den Friseurlocken war nur eine .
    »Jesus«, sagte er. »Sie ist nur eine Spinnerin, und ich hab sie k.o. geschlagen.« Er begann zu zittern.
    »Sie hat ein junges Mädchen terrorisiert, das heute seine Mutter verloren hat«, sagte McCourt, und Clay erkannte, dass aus der Stimme des kleinen Mannes nicht Ruhe, sondern ungewöhnliche Kälte sprach. »Sie haben genau das Richtige getan. Außerdem kann man ein altes Streitross wie die hier nicht lange außer Gefecht setzen. Sie kommt bereits wieder zu sich. Helfen Sie mir, sie an den Straßenrand zu schaffen.«

4
    Sie hatten den - von manchen als Wundermeile, von manchen als Schundallee bezeichneten - Teil der Route One erreicht, wo die Schnellstraße mit nur wenigen Ein- und Ausfahrten in ein Gewirr von Spirituosenmärkten, Läden für Billigklamotten, Outlets für Sportartikel und Schnellrestaurants mit Namen wie Fuddruckers überging. Ohne völlig blockiert zu sein, standen die sechs Fahrspuren hier voller Autos, die zusammengestoßen oder einfach nur verlassen worden waren, als ihre Fahrer in Panik gerieten, mit dem Handy zu telefonieren versuchten und durchdrehten. Die Flüchtlinge, die sich auf verschiedenen Wegen stumm zwischen den Autowracks hindurchschlängelten, erinnerten Clay Riddell stark an Ameisen, die ihren Bau räumten, nachdem ein unbedachter Stiefeltritt eines unachtsamen Wanderers ihn zerstört hat. Das Hinweisschild MALDEN SALEM ST. EXIT % MI stand an der Ecke eines niedrigen, rosa gestrichenen Gebäudes, das offensichtlich geplündert worden war: Vor der Vorderfront lagen die Splitter eingeschlagener Schaufenster, und ein batteriebetriebener Einbruchmelder befand sich erst jetzt im erschöpften letzten Stadium des Ablaufens. Ein Blick hinauf zu der nicht brennenden Leuchtreklame auf dem Dach genügte, um Clay zu zeigen, wieso hier nach der heutigen Katastrophe geplündert worden war: MISTER BIG'S GIANT DISCOUNT LIQUOR.
    Er hielt die mollige Frau am einen Arm gepackt, während Mc-Court den anderen hielt, und Alice stützte den Kopf der murmelnden Frau, als sie diese so in eine Sitzposition sinken ließen, dass sie mit dem Rücken an einer Strebe des Ausfahrtschilds lehnte. Als die Mollige eben unten anlangte, öffnete sie die Augen und starrte sie benommen an.
    McCourt schnalzte zweimal energisch mit den Fingern vor ihren Augen. Sie blinzelte, dann sah sie zu Clay hinüber. »Sie . haben mich . geschlagen«, sagte sie. Ihre Finger kamen nach oben, um die rasch anschwellende Stelle an ihrem Kinn zu betasten.
    »Ja, tut mir L...«, begann

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